Buchhaltungssoftware und Gobd - trügerische Sicherheit ?

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danwa
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Buchhaltungssoftware und Gobd - trügerische Sicherheit ?

Hallo,

Folgendes Szenario:

Ein Soloselbstständiger betreibt seit über 10 Jahren einen Online- Versandhandel. Seine Einkünfte sind gering, er gehört zu den so genannten Kleinstbetrieben. Wenn es gut läuft, hat er um die 100 Bestellungen im Monat. Rückfragen seitens des Finanzamtes oder gar eine Betriebsprüfung hatte er noch nie.

Vor ein paar Jahren wurde er umsatzsteuerpflichtig. Um sich einmal beraten zu lassen, suchte er einen Steuerberater auf. Im Gespräch erfuhr er auch, dass es rechtliche Bestimmungen zur fälschungssicheren Abspeicherung von Rechnungen gibt. Bis dahin hatte er seine Ausgangsrechnungen nämlich immer in Word geschrieben, was laut Aussage des Steuerberaters bei einer Betriebsprüfung Schwierigkeiten nach sich ziehen könnte.

Der Steuerberater empfiehlt ihm eine bekannte cloud- basierte Buchhaltungssoftware. Mit der könne er alles super einfach intuitiv erledigen bis hin zur Übermittlung an das Finanzamt und sei damit auch Gobd- konform.

Der Versandhändler freut sich über die tolle Software, seit Jahren nutzt er sie nun.
Er erstellt seine Ausgangsrechnungen immer direkt nach einem Auftrag in der Software, soweit in Ordnung, dann aber das:

1.) Die Eingangsrechnungen von Lieferanten und co., die er entweder per Mail bekommt oder z.B. bei Ebay einsehen kann, lädt er als PDF- Datei herunter und speichert sie in einem Ordner auf dem PC und auf einem externen Datenträger ab. Dazugehörige E-Mails werden nicht gespeichert, weil sie ja nur als Transportmittel dienen.

2.) Auch sämtliche elektronische Zahlungsbelege legt er auf diese Weise als PDF in seine Speicherorte ab.

3.) Da die Aufträge und Geschäftsvorgänge des Händlers anzahlmäßig überschaubar sind, kümmert er sich um die Vervollständigung der Dokumentation in der Buchhaltungssoftware immer am Ende eines Quartals, also bevor alles fertig gestellt sein muss für die Übermittlung der Ustva. Heißt, dann lädt er sämtliche Eingangsrechnungen, die er im Quartal “gesammelt” hat, einzeln in die Software hoch.

4.) Weil es für ihn am einfachsten ist, Ein- und Ausgangsrechnungen manuell als “bezahlt” zu markieren, verzichtet er auf eine Verknüpfung mit dem Bankkonto oder PayPal. Bedeutet, er nimmt sich die Bankbelege, die er zuvor als PDF auf seinem Speicherort abgelegt hat, zur Hand und geht alles manuell durch. Im Falle einer Betriebsprüfung hat er ja alle Belege abgespeichert und alles ist nachvollziehbar, so seine Annahme.

Nun sieht der Gesetzgeber ja vor, dass alle relevanten Geschäftsvorfälle absolut fälschungssicher verwahrt werden müssen, von Anfang an. Das Dokumentieren / Erstellen in der Buchhaltungssoftware ist das eine, das “Sammeln” der Dokumente zuvor das andere.

Jetzt ist die Frage, wie sich das in einer Betriebsprüfung machen würde. Sowohl Eingangsbelege als auch Zahlungsbelege könnten theoretisch manipuliert sein. Dass diese dann in die Gobd- konforme Software irgendwann hochgeladen wurden, ändert daran ja nichts.

Gerade kleine Unternehmer mit wenig Aufträgen, die nicht die finanziellen Ressourcen für eine dauerhafte Betreuung durch eine Steuerkanzlei haben, nutzen solche intuitiven Buchhaltungssysteme und ich schätze, dass es etliche so oder so ähnlich machen wie in meinem Fallbeispiel. Die Anbieter werben mit Gobd- Zertifizierung und “alle Pflichten für das Finanzamt erledigen“, was möglicherweise massenweise dazu führt, dass gerade die “Kleinen” sich in falscher Sicherheit wiegen.

Laufen hier etliche in eine Falle ? Wie seht ihr das ? Mir stellt sich sowieso die Ermessensfrage, inwieweit man in der Praxis tatsächlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Zumal die komplette Aberkennung der Buchhaltung aufgrund dieses Formfehlers dem Unternehmer pauschal Manipulation unterstellen würde. Gibt es jemanden, der damit Erfahrungen gemacht hat ?

Dann stelle ich mir auch grundsätzlich die Frage, ob ein 100% Gobd- konformes Verfahren überhaupt realistisch ist. Theoretisch kann immer und überall manipuliert werden.


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vbc
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Re: Buchhaltungssoftware und Gobd - trügerische Sicherheit ?

Wenn die Rechnungen nicht als Datei gespeichert werden ist nach wie vor die Papierversion zulässig und damit egal, wie sie erstellt wurden, also auch Word und Excel möglich.

Die Frage ist, ob eine Püfung überhaupt erfolgt, bzw. erfolgen kann. Sprich, welches FA kann dir nachweisen, dass du sie speicherst ?
Und gab es überhaupt schon mal einen Fall, in dem die nicht korrekte GOBD Anwendung sanktioniert wurde ?

Die FAs sind ja jetzt schon massiv überfordert, wer soll das auch noch prüfen ?
Tony
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Re: Buchhaltungssoftware und Gobd - trügerische Sicherheit ?

Rein rechtlich betrachtet ist die Vorgehensweise natürlich nicht 100% korrekt.
Aus meiner Erfahrung heraus, mit bisher 2 Voll-Betriebsprüfungen, kommen solche Dinge aber nicht auf den Tisch, wenn es keine Unstimmigkeiten gibt. Da meine ich immer, transparenter als bei uns Onlinehändlern, wo 99% aller Zahlungen über Konten laufen, geht es doch gar nicht.
Also wenn die Zahlungen passen, die Buchungen passen, Du alle Belege auf Nachfrage oder sogar auf Knopfdruck vorweisen kannst - würde ich mir keine Gedanken machen.
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Re: Buchhaltungssoftware und Gobd - trügerische Sicherheit ?

Sehe ich auch so. Solange alles zusammenpasst und erklärbar ist, gibt es wenig Grund zur Sorge. Was im Umfeld ein sofortiger Grund zur Prüfung war: Wenn das Auto etwas überdimensioniert zum Betrieb erscheint ;)
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fonprofi
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Re: Buchhaltungssoftware und Gobd - trügerische Sicherheit ?

Woran erkennt das FA ob ein Auto zu überdimensioniert zu Betrieb ist?
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Re: Buchhaltungssoftware und Gobd - trügerische Sicherheit ?

Lass mal scharf nachdenken - vielleicht am Preis :gruebel:

Das in Kombination mit Betrieb auf eigenem Grundstück hat in allen mir bekannten Fällen quasi nach Zulassung die Prüfung zur Folge gehabt. Was allerdings auch nicht mit Weltuntergang einherging.
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fossi
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Re: Buchhaltungssoftware und Gobd - trügerische Sicherheit ?

fonprofi hat geschrieben: 24. Sep 2023 12:10 Woran erkennt das FA ob ein Auto zu überdimensioniert zu Betrieb ist?
Wenn ein Kleingewerbe-Wohnzimmerhändler mit 3 verkauften Knoblauchpressen im Monat einen 1000€ Leasing Sportwagen in der Buchhaltung angibt, werden die dem schon auf die Füße steigen.

Zum Thema selber:
Ich hatte in den letzten 2 Jahrzehnten mehrere Prüfungen von "Umsatzsteuer Sonderprüfung" bis "Betrieb auf links drehen".
Geprüft wurde komplett nur in den Buchungssätzen des Steuerberaters bzw DATEV.
Die Ausgangsrechnunge (Papier oder pdf) und sogar der Name des Rechnungsprogramms war den Prüfern vollkommen egal.
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fonprofi
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Re: Buchhaltungssoftware und Gobd - trügerische Sicherheit ?

Also, wenn ich einen Gewinn von 100k im Jahr habe, könnte ich mir kein 100k Fahrzeug leasen ohne in Erklärungsnot zu kommen?

Betriebliche Nutzung vorausgesetzt.
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Re: Buchhaltungssoftware und Gobd - trügerische Sicherheit ?

Doch, wenn Du es erklären kannst, wirst Du vermutlich keine Not haben ;)
Spk
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Re: Buchhaltungssoftware und Gobd - trügerische Sicherheit ?

Hab das schon öfter gesehen, das viele ihre Porsche bis Rs6 über das Geschäft laufen lassen, was geben die als Grund an?
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fonprofi
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Re: Buchhaltungssoftware und Gobd - trügerische Sicherheit ?

Anders können die sich das auch nicht leisten.
Selbst unser Dönerladen fährt Cajenn
HT2019
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Re: Buchhaltungssoftware und Gobd - trügerische Sicherheit ?

Ich sehe das ähnlich. Klar ist das Vorgehen nicht 100% korrekt, aber wenn sonst alles korrekt läuft wird das sicher kein Weltuntergang sein.
Wir hatten auch schon mehrere Prüfungen und gerade am Anfang sicherlich mehr falsch gemacht.
Wie Tony schon meinte sind wir als Onlinehändler sowieso überdurchschnittlich transparent.
Bei uns gab es z.B. die ersten Jahre für die 10 Abholer im Jahr kein Kassenbuch. Wurden wir zwar drauf hingewiesen, gab aber keine Probleme.

Lustigerweise war auch bei unserer ersten Prüfung das Auto ausschlaggebend, da der Prüfer bei einem am Wohnsitz angemeldeten Onlinehandel keinen betrieblichen Grund für einen PKW sah. Konnten wir damals aber mit einigen Belegen für Messe-, Lieferanten- und Kundenbesuche problemlos klären.
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fonprofi
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Re: Buchhaltungssoftware und Gobd - trügerische Sicherheit ?

Gibt es denn einen Schlüssel oder Punktesystem wie teuer ein Fahrzeug im Verhältnis sein darf?
Es ist schon verlockend, als WZ-Händler im Nebengeschäft seinen Gewinn im Leasing zu verprassen.
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Vio
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Re: Buchhaltungssoftware und Gobd - trügerische Sicherheit ?

fonprofi hat geschrieben: 24. Sep 2023 15:46 Es ist schon verlockend, als WZ-Händler im Nebengeschäft seinen Gewinn im Leasing zu verprassen.
Ist das jetzt ironisch gemeint? Was ist denn daran so vorteilhaft? (Die Frage ist ernst gemeint, ich besitze kein Auto.)
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fonprofi
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Re: Buchhaltungssoftware und Gobd - trügerische Sicherheit ?

Das ist garnicht ironisch gemeint.
Ich kenne 3 FBAler die Nebenberuflich kaum was reißen aber 100k Autos fahren.
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Vio
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Re: Buchhaltungssoftware und Gobd - trügerische Sicherheit ?

Und worin besteht der monetäre Vorteil beruflichen Leasings? Ich vermute, dass man die Leasingkosten als Betriebsausgaben absetzen kann aber das ist doch sehr wahrscheinlich ein geringerer Betrag, als die zu versteuernden 1%, oder wo stehe ich auf dem Schlauch?

Sorry für das OT an den TE!
Andre (KM)
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Re: Buchhaltungssoftware und Gobd - trügerische Sicherheit ?

Ich denke das Wort "Verhältnismäßigkeit" passt ganz gut. Du kannst auch 2 Firmenwagen auf dich laufen lassen, dass Gesamtpaket muss halt passen.

Prinz Markus hatte es ja damals übertrieben und durfte dafür in Knast: https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/ ... estaetigt/ engel
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fonprofi
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Re: Buchhaltungssoftware und Gobd - trügerische Sicherheit ?

Wo ist das Problem?
Nennen wir ihn mal Hassan, der bei Wish billigen Kram bei Amazon verhökert und zB. 2000,- Gewinn erwirtschaftet im Monat. Davon leistet er sich eine Limo mit Stern und drei Großbuchstaben. 1% interessieren ihn erst mal nicht. Der Rest geht in Klamotten. Die Ust. zahlt er von den Einnahmen, kommt ja immer wieder was rein. Ist halt wie ein Schneeballsystem. Nach 12 Monaten gibt er den Wagen wieder ab, weil oft ja nur 5 oder 10tkm im Leasing mit drin ist. Nach 2 Jahren macht er die Firma dicht und hebt die Hand. Danach kommt Murat und macht weiter.

Ist vlt. ein wenig Klischeehaft, aber ein Dönerist mit einem 25qm Laden, der keinen Kassenbon rausgibt, kein Lieferando und kein Karten-Terminal hat, aber einen dicken Cayenne vor der Tür, ist mir Suspekt. Nur für zur Metro kanns ja nicht sein...
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Vio
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Re: Buchhaltungssoftware und Gobd - trügerische Sicherheit ?

Danke für die Erklärung, fonprofi. Auf solche Ideen käme ich nicht.

@ Andre
:lol:
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Re: Buchhaltungssoftware und Gobd - trügerische Sicherheit ?

Es sind ja zwei Ebenen: Einmal die Notwendigkeit der Karre - und dann der Preis. Das FA muss ja auch wirtschaften. Ein Auto, das insbesondere auf ein junges Unternehmen läuft, erfährt Aufmerksamkeit, desto teurer - desto mehr. Das FA kann eine Karre wegen dem Preis nicht verbieten, sondern nur prüfen, ob die steuerlichen Regeln eingehalten sind.
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