Aus dem Nähkästchen: Wie reagiert euer Umfeld auf eure Selbstständigkeit?

[Roemer]

"Was machst du beruflich?"
"Ich habe einen Onlineversandhandel"
"Kann man davon leben?"

Erinnert mich an das Jahr 2004. Ich betrat eine Filiale der Sparkasse um gfs. ein Geschäftskonto zu eröffnen.

"Ich benötige die Konditionen des Geschäftskontos"
"Was machen Sie beruflich?"
"Ich habe einen Onlineversandhandel"
"Ach, Hartz4 ...."

Ich bin dann direkt wieder raus. Die Filiale gibt es nicht mehr.

[Booki]

Erinnert mich an das Jahr 2004. Ich betrat eine Filiale der Sparkasse um gfs. ein Geschäftskonto zu eröffnen.

"Ich benötige die Konditionen des Geschäftskontos"
"Was machen Sie beruflich?"
"Ich habe einen Onlineversandhandel"
"Ach, Hartz4 ...."

Ich bin dann direkt wieder raus. Die Filiale gibt es nicht mehr.

Mir hat die Sparkasse vor Ort vor rund 10 Jahren nahegelegt mein Konto bei einer anderen Bank zu eröffnen. Dem bin ich gern nachgekommen.

[fonprofi]

@Booki: Das mit dem Quoten muss nochmal verinnerlicht werden.?

[Roemer]

..... insbesondere wenn man auch ohne Zitat einfach antworten kann.

[arnego2]

Nicht nur in D, das ist international.

Das ist definitiv nicht richtig. Ich hatte eine Firma in DE und bin seit paar Jahren wieder in PL, und es ist ein riesen Unterschied, wie Leute reagieren wenn du sagst du hast ein Unternehmen, verkaufst Sachen im Internet etc.

Freut mich, dass du andere Erfahrungen gemacht hast, die den Rückschluss erlauben.
Den Osten kenne ich weniger kann dazu also nichts sagen, muss ja auch nicht sein

[regalboy]

Mir wird nachgesagt, dass ich insolvent sei - weil wir ein komplett automatisiertes Lager haben und daher an der riesen Halle immer nur 3, 4 Autos parken. Wobei der Großteil auch noch mit dem Dienstrad zur Arbeit kommt. Also denken die Leute im Vorbeigehen, dass nichts los ist.

Dass in der Halle Millionenwerte bewegt werden sieht keiner, ist aber auch gut so.

[tanzschuh]

Mein Schwiegereltern denken immer noch das ich ihre Tochter ausnutze, da ich ja immer Zeit habe..
Das ich früh morgens oder später abends im Büro bin, und den Tag über etwas unternehmen kann, begreifen die nicht.

[kreien]

Och, wenn da die richtigen zusammenkommen, quatscht es sich super übers Unternehmertun, … damals so vor 15 Jahren Elternabend in der Privatschule, fast alle selbstständig bzw. in Entscheiderpositionen – die Veranstaltung und jedes Mal beim Elternengagement, ein Segeln hart am Wind des Compliance. Gegengeschäfte beim Laubharken, ich denke da ganz gerne dran zurück. Das war das passende Umfeld, wenn ich da heute an die öffentliche Brennpunktschule denke, von der ich meinen Sohn nach den Sommerferien abmelde, was für ein Kontrast Richtung Lowperforming.

Betrüblich die Erfahrungen mit Patenten, völliges Unverständnis in der Familie und auch sonst biste schnell als Sonderling abgestempelt. Innovativ ist hier in Deutschland nicht gut angesehen, Mathe, Technik und Spaß am Schrauben sowieso nicht – die Leute haben dann schnell keine Lust mehr auf einen. Die Reaktionen bei Lizenzanbahnungen sind ebenso katastrophal. Im Ausland hingegen habe ich Gelegenheit zum Vortrag und bekomme nach ernsthafter Prüfung eine höfliche Absage, mit ausführlicher Begründung, wohingegen ich in deutschen Firmen nur störe, aber sowas von.

Was ich sehr schade finde: Bei uns in der Gewerbeliegenschaft versuchen sich immer mal wieder junge Menschen mit Catering. Die Konzepte sind durchaus interessant, nur fehlt den Protagonisten die Fähigkeit, dem Kunden zuzuhören bzw. wohlgemeinte Ratschläge ernstzunehmen. Beispiel: Hier im Foyer mit zig Firmen hat sich ein Einzelkämpfer als Automatenaufsteller versucht. Sein Konzept: nur Gesundes, nur vegan. Ich habe mal mit ihm gesprochen und mit auf den Weg gegeben, dass sein Konzept ein bisschen radikal ist, wenn die Ware nach einer Schicht aus Gründen der Haltbarkeit entsorgt werden muss und die zweite Schicht sowie Nachtschicht vor einem leeren Automaten steht. Auch ist es recht eigenwillig, nicht alle Fächer eines Verkaufsautomaten zu bestücken, und sei es mit Getränken und Schokoriegeln. Hat er auch nicht verstanden, genauso wenig wie den Umstand, dass die Leute bargeldlos bezahlen wollen, aber zu diesem Zweck sich nicht eine Extra-App installieren, sondern mit Maestro-(vulgo EC-) und Kreditkarte unterwegs sind. Er ist gescheitert und out of Business, hoffentlich ist der Schuldenberg nicht so hoch. Oder die Typen, die diese Süßigkeitenboxen zu zweit einsammeln, was für ein Personalaufwand. Sollen die doch eine Paketmarke per E-Mail schicken, wir schicken die leere Box mit den Münzen dann zurück, macht er nicht, schade.

[fossi]

Bei meinen Anfängen 2001 hieß es "der macht was mit Computer". War deshalb relativ häufig bei Bekannten unterwegs und durfte deren Hardware einrichten, oder nebenher ein paar Internetseiten basteln, obwohl das nichts mit dem Handel zu tun hatte.

Später hieß es dann "das ist so ein Onlinebetrüger". Unsinn.

Wieder etwas später kam dann "das ist so ein Internethändler. Der macht sicher Millionen damit". Falscher Neid.

Inzwischen sind wir an einem Punkt, wo die meisten Bekannten inzwischen verstehen, was und womit ich arbeite.
Hat aber über 20 Jahre gedauert.

[monami]

Was ich sehr schade finde: Bei uns in der Gewerbeliegenschaft versuchen sich immer mal wieder junge Menschen mit Catering. Die Konzepte sind durchaus interessant, nur fehlt den Protagonisten die Fähigkeit, dem Kunden zuzuhören bzw. wohlgemeinte Ratschläge ernstzunehmen. B

Das bekomme ich auch öfters mit.
Ich hätte mir damals bei meinen ersten selbstständigen Gehversuche gewünscht, ich hätte jemanden gehabt, der mir Ratschläge gibt. Damals war es ein sehr teures trial and error...

Von der Familie gab es Rückhalt, auch wenn die damals gesagt hatten: Hey, such dir einen guten Mentor, wir können dir da nicht helfen. Wenn es dein Weg ist, probier es aus.

Mittlerweile ist ne ganze Zeit vergangen, habe die Firma nebenei, arbeite Vollzeit in einem ganz anderen Bereich. Aber es lässt mich nicht wirklich los.

[Booki]

Was ich wirklich lustig finde an der Selbstständigkeit ist, daß es häufig nur so ei radikales denken gibt. Entweder man muss Geld wie Heu haben oder man ist Pleite.

Keine Ahnung ob ich heute mehr verdiene als in meinem damaligen Ausbildungsberuf. Aber darum ging es mir nie. Ich wollte schlicht und ergreifend für niemanden arbeiten und mir meine Zeit selbst einteilen können.

In menem Freundeskreis verdienen wahrscheinlich alle mehr als ich. Aber dafür ist mein Job abwechslungsreicher und sicher spannender. Ich möchte nicht den Rest meines Lebens vor dem Rechner sitzen und Bücher eingeben. Ich brauche Action und Abwechslung. Nur Bücher ins Netz schieben kommt noch früh genug, wenn der Körper nicht mehr mitspielt. Außerdem will nich nicht nur Abhängig sein vom Onlinehandel.

Für mich ist es dieses kleine Stückchen Freiheit mir die Zeiten selbst einteilen zu können.

Was ich hier immer wieder gelesen habe, ist das Thema Familie und Partner. Ja, das hat mir echt gefehlt. Und deshalb weiß auch nicht, ob ich den gleichen Weg noch einmal gehen würde. Die Nummer war schon echt hart.

[knoge]

Ich intressiere mich schon lange nimmer für das Gerede. Als selbstständiger wirst du immer mißtrauisch beäugt. Erfolg wird geneidet vorallem wenn du mit vermeitlich profanen Sachen handelst.

Ich bin jetzt seit 20 Jahren selbstständig, die leute sehen mein kleines Lager/Ladenverkauf und meinen die 2-3 hanseln die täglich hier aufschlagen wären mein gesamter Umsatz. Der Gerüchteküche nach war ich die letzten zwei Jahrzehnte mindestens schon 5x Pleite, ich bekomme das immer realtiv zuverlässig mit weil meine Tante/Onkel das örtliche Gasthaus betreiben.
Das geht soweit das so mancher Handwerker vor Ort (Dorf) hier erst garnicht aufschlägt wenn ich etwas brauche (gibt natürlich auch andere, die kommen immer gerne wenn ich etwas brauche weil sie wissen das sie bei mir niemals auf das Geld warten müssen). Ist mir mittlerweile alles egal, kommen meine Handwerker halt von außerhalb.

Ich denke mir manchmal meinen Teil und lasse die Leute reden. Ich weiß ich bin jetzt 40 und wenn ich wollte könnte ich mein Geschäft einfach zusperren und könnte trotzdem weiterhin gut leben.

[Tony]

Ich habe mein erstes Gewerbe neben dem Studium angemeldet und bin "schon immer" (25 Jahre) selbständig.
Interessanterweise kann ich hier im Thread kaum mitreden. Wenn mich jemand fragt, betreibe ich Onlinehandel und wenn gefragt wird wie es läuft sage ich "ganz gut!". Und thats it, weder Neid noch Hähme bisher erlebt.

[regalboy]

... Interessanterweise kann ich hier im Thread kaum mitreden. ...

Ist sicherlich auch Sortimentsabhängig.

Wenn etwas "normales" verkauf, von dem der normale Mensch weiß, dass das Produkt viel gekauft wird, dann wird es oft akzeptiert.

Wenn aber "Spezialsachen" verkauft werden, von denen der normale Mensch keine Anhnung oder Vorstellung von Kosten & Gewinn hat, dann kommt das "kannst du davon denn leben?".

[Investor]

Was versteht Ihr unter Umfeld? Freunde wissen das, da diskutiert man aber doch nicht drüber. Ich erkläre dem befreundeten Krankenhausarzt ja auch nicht das es seine schlechteste Entscheidung war. Wie könnte ich auch?

Von weniger Bekannten kommt eher mal Neid durch wenn Sie die Autos oder so sehen: "oh, ich hab wohl was falsche gemacht"

Die meisten verstehen aber ja auch gar nix

[regalboy]

Freunde, Bekannte, Verein, Party-Bekanntschaften.

[vbc]

Ich hatte heute gerade so eine Diskussion, die mich an das Thema hier erinnerte.
Planung nächstes Familienfest. Könnte man ja an einem Sonntag machen.
Als ich erklärte, dass es für mich als Einzelkämpfer maximal unpassend ist, da es auch in meinen Räumlichkeiten stattfinden soll und ich echt keine Lust habe
an einem Sonntagabend bis spät dann noch aufzuräumen etc. und Montags wieder früh mit dem WE Versand Vollgas zu geben, bekam ich kaum Verständnis
von einer Person.

Die Person war auch gerade entspannt 4 Wochen im Urlaub, also Vollblut-Angestellte seit immer, da war ich echt ziemlich angepisst, da mich heute das Fest von gestern noch ein paar Stunden beschäftigt hat.

[aaha]

Als ich erklärte, dass es für mich als Einzelkämpfer maximal unpassend ist, da es auch in meinen Räumlichkeiten stattfinden soll und ich echt keine Lust habe
an einem Sonntagabend bis spät dann noch aufzuräumen etc. und Montags wieder früh mit dem WE Versand Vollgas zu geben, bekam ich kaum Verständnis
von einer Person.

Und genau wegen sicher Rechtfertigungssituationen habe ich mir komplett abgewöhnt, zu detaillierte Erklärungen zu geben: Ich kann da leider nicht. Habe da einen anderen Termin, der sich leider leider leider nicht verschieben lässt. Punkt, Ende, aus!

[iceman41]

Mach ich auch so, Sonntags wird bei mir gearbeitet, da hab ich keine Zeit. Ich mache Freitags oft frei.
Das führte immer zu Diskussionen warum man denn Sonntags arbeitet. Seitdem ist der Standard: "Wir sind nicht da"
Diskussionsende. Bin eh kein Fan von irgendwelchen Familienfesten und sonstigem.

[kreien]

Bei meinen Anfängen 2001 hieß es "der macht was mit Computer". War deshalb relativ häufig bei Bekannten unterwegs und durfte deren Hardware einrichten, oder nebenher ein paar Internetseiten basteln, obwohl das nichts mit dem Handel zu tun hatte.

Später hieß es dann "das ist so ein Onlinebetrüger". Unsinn.

Um das zu verstehen, möchte ich ergänzend anführen, dass sich damals die Medien, im Lichte purzelnder Printabos und einsetzendem Paradigmenwechsel, wiederholt zu so einer Art Scheißhausparolenkampagne abgesprochen haben, vermutlich mit dem Ziel das Internet als rechtsfreien Raum, Pornobude und Ort der illegalen Downloads herunterzuschreiben.

Manch "Journalist" hätte am Liebsten ein Verbot des Internets herbeigeschrieben. Also quasi so, wie das Darknet heute. Das hatte damals durchaus verfangen und einige Unternehmen hatten sich sodann öffentlichkeitswirksam erblödet, die private Internetnutzung von Mitarbeitern zu verbieten, genauso wie private E-Mails.

Also wie gewohnt, wenn neue Technologien in Deutschland Einzug halten. Das war in den Jahrzehnten davor mit DFÜ/Datex-P, Akustikkopplern, BTX, bösen Zyxel-Modems, ISDN, Compuserve nicht anders – das ist gar nicht so ein Phänomen der Neuzeit.