Neues Gerichtsurteil: Mengenrabatt bei Bilderklau! - LG Frankenthal AZ 6 O 202/19

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fossi
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Neues Gerichtsurteil: Mengenrabatt bei Bilderklau! - LG Frankenthal AZ 6 O 202/19

Ich wurde auf ein neues Urteil hingewiesen, was sich mit dem Thema "massenhaftem Bilderklau" befasst.

Bei einem Onlinehändler wurden unerlaubt 180 Produktfotos zur Verwendung in einem Mitbewerber-Shop kopiert.

Die Sache ging zum Anwalt und das Landgericht Frankenthal hat daraufhin entschieden, dass der Beklagte einen "Mengenrabatt" erhält und nach MFM-Honorarmodell "Auftragsproduktion" der Schadenswert berechnet wird. Es wurde damit ein fiktiver Lizenzschaden von 30.000 € zzgl. 100% Verletzerzuschlag gewährt - kein Zuschlag (50 %) für Onlineshop.

Die Summe klingt hoch, aber andererseits ist es unüblich, daß man einen Mengenrabatt dafür bekommt, wenn man besonders viele Bilder klaut. :shock:


Das gesamte Urteil kann man sich auf dieser Seite anschauen: https://www.zunft.de/Urteil-unerlaubter ... oduktfotos

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koshop
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Re: Neues Gerichtsurteil: Mengenrabatt bei Bilderklau! - LG Frankenthal AZ 6 O 202/19

Naja, man bekommt ja auch einen Mengenrabatt wenn man viele Bilder machen lässt.

Gerade wenn man viele gleichartigen Bilder machen lässt ist die Hauptarbeit für den Fotografen der Aufbau und das Austüfteln der Beleuchtung. Wenn das ganze Setup dann steht und man muss die Bilder nur noch eines nach dem anderen durchfotografieren, dann wirds normal schon billiger, wenn die Menge größer ist.
remen67
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Re: Neues Gerichtsurteil: Mengenrabatt bei Bilderklau! - LG Frankenthal AZ 6 O 202/19

Also das klingt wirklich logisch, aber vermutlich werden sich die Automatensprenger oder Bankräuber diskriminiert fühlen und klagen
Schreiber Ling
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Re: Neues Gerichtsurteil: Mengenrabatt bei Bilderklau! - LG Frankenthal AZ 6 O 202/19

Natürlich ist es logisch, aber es ist auch lustig :D Danke für den Hinweis^^
kreien
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Re: Neues Gerichtsurteil: Mengenrabatt bei Bilderklau! - LG Frankenthal AZ 6 O 202/19

remen67 hat geschrieben: 19. Nov 2021 17:13 Also das klingt wirklich logisch, aber vermutlich werden sich die Automatensprenger oder Bankräuber diskriminiert fühlen und klagen
Es ist nicht gut, Verbrechen aus dem Strafrecht mit immateriellen Schadenersatzforderungen im Zivilrecht zu vergleichen, das passt nicht so richtig.

Ich habe das Urteil – selbstverständlich als juristischer Laie – gelesen, ein paar Dinge sind bemerkenswert:

a) Ein Produktfoto von einer Zunfthose, angefertigt von einem nicht-hauptberuflichen Fotografen, der aber gleichwohl sein Handwerk versteht (und in diesem Fall angestellter Geschäftsführer der Klägerfirma ist), ist kein einfaches Lichtbild (handwerkliche Arbeit) mehr, sondern bereits ein Lichtbildwerk (künstlerische Arbeit). Das ist ein großes Kompliment für den Fotografen, das früher nur Künstlern zuteilwurde. Die Latte hängt niedrig.

b) Die Beklagte hat den gleichen Warenlieferanten wie der Kläger. Da der Warenlieferant wohl die streitgegenständlichen Fotos nutzen durfte, ist die Beklagte (vermutlich nach mündlicher Freigabe) als Kundin davon ausgegangen, dass ihr diese Nutzung auch gestattet ist, das ist fahrlässig.

c) Die vorprozessual abgegebene Unterlassungserklärung ist wie ein Blankoscheck, der dann auch gezogen wurde.

d) Der immaterielle Schaden ist mal wieder so richtig urheberrechtsmäßig angemessen, Zitat: "Hieraus ergebe sich pro Bild folgender Schadensbetrag: 1.407,00 € und bei der Nutzung von 181 Bildern ein Gesamtlizenzschaden von 254.667,00 €. Zudem habe der Kläger Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 1.366.133,70 € in Höhe von insgesamt 7.219,65 €."

e) Zitat: "Ist lediglich ein einfaches Nutzungsrecht vergeben, kann der einfache Lizenznehmer grds. nicht aus eigenem Recht klagen. Aktivlegitimiert bleibt der Urheber bzw. der ausschließlich Nutzungsberechtigte […]."

Zu b) führt das Gericht aus: "Werden Rechte übertragen, so genügt es in aller Regel nicht, sich auf Zusicherungen hinsichtlich des Bestands und Umfangs der Rechte sowie der Übertragungsbefugnis zu verlassen. Vielmehr muss der Verwerter die Kette der einzelnen Rechtsübertragungen vollständig überprüfen." .

Es reicht also nicht, sich auf die Zusicherung eines Nutzungsrechteinhabers zu verlassen, das wäre fahrlässig, vielmehr gilt es die komplette Rechtekette gerichtsfest abzufragen und zu dokumentieren. Das ist selbst für hauptberufliche Urheberrechtsexperten kaum möglich.

Beispiel einer einfach gelagerten Rechtekette:

Hosen-Hersteller sagt: Kannst die Fotos benutzen -> A sagt: Das brauche ich schriftlich -> Hosen-Hersteller kein Problem, hier -> A sagt: Ich muss die Rechtekette prüfen -> Hosen-Hersteller: Hier ist der Lizenzvertrag mit dem Fotografen -> A sagt: Ich muss den Fotografen kontaktieren -> Kontakt zum Fotografen: Ist der Lizenzvertrag noch gültig, bist du wirklich der Fotograf (Urheberrechteinhaber)? Beweise mir das bitte anhand der Rohdaten, und ich brauche das schriftlich. Und das wiederholt sich bei jedem Bild so? Rechteketten sind aber schnell komplex. Noch absurder wird es, wenn es um Lizenzrechte an Mikrochip-Designs geht und der, der den Baustein einlötet Teil der (internationalen) Rechtekette wird, da streitet sich dann ein Daimler mit Nokia beim EuGH, vgl. https://www.heise.de/news/Patentstreit- ... 71941.html.

Zu e) sei anzumerken, dass der Auftraggeber von Fotos (so wie die meisten hier) in der Regel nur ein einfaches Nutzungsrecht innehat und die ausschließlichen Nutzungsrechte beim Fotografen verbleiben, es sei denn, man vereinbart dies explizit – das ist nicht die Regel und kostet anders. Deswegen kann ein Online-Händler in einer solchen Nutzungsrechtekonstellation sich nicht einfach als Urheberrechteinhaber berühmen und abmahnen, was aber vermutlich dennoch häufig geschieht.

Es bleibt abschließend festzustellen, dass das Urheberrecht nicht nur schnell die Mehrheitsgesellschaft, sondern auch den Durchschnittsfachmann überfordern. Bei allem Verständnis für den Ärger des Klägers, der berechtigte Forderungen stellt, aber das klagende Unternehmen (vormals ein Hotelbetrieb) weist im letzten veröffentlichten Jahresabschluss eine Bilanzsumme von ca. 900 T€ aus, vor diesem Hintergrund wirken ein geltend gemachter Lizenzschaden für Produktfotos von ca. 254 T€ und ein Streitwert von > 1.300 T€ unangemessen.
Zuletzt geändert von kreien am 19. Nov 2021 22:45, insgesamt 1-mal geändert.
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koshop
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Re: Neues Gerichtsurteil: Mengenrabatt bei Bilderklau! - LG Frankenthal AZ 6 O 202/19

Ja, die Schadensersatzhöhen sind maßlos überzogen.

Ich hab mir ja auch eigenes Fotostudio eingerichtet. Das hat mich 10.000 Euro gekostet und einiges an Tüftelei bis das Setup stand - aber jetzt macht die Bilder eine Mitarbeiterin quasi am Fließband. Produkt hinstellen, Auslöser, nächstes Produkt.

Die Beträge entsprechen dem Trend anderer absolut wahnwitziger Urteile in dem Bereich, aber sind weit jenseits der tatsächlichen Kosten für derartige Bilder.
remen67
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Re: Neues Gerichtsurteil: Mengenrabatt bei Bilderklau! - LG Frankenthal AZ 6 O 202/19

So genau hab ich mir die Sache nicht angeschaut, 250 TEUR ist ja noch heftiger, auch im Vergleich zur Unternehmensgröße des Beklagten

Eines steht aber fest: im Bereich der Gerichte ist ein Paralleluniversum entstanden, was vom Durchschnittsbürger oft nicht mehr "verstanden" wird

Auch das Urteil zu den Maskendeals der CSU geht in diese Richtung, der Ehrliche wird zunehmend zum Dummen
Roemer
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Re: Neues Gerichtsurteil: Mengenrabatt bei Bilderklau! - LG Frankenthal AZ 6 O 202/19

Wer jemals (in diesem Forum) noch einmal darüber nachdenkt, eine von der Gegenseite angefertigte UE einfach zu unterschreiben - um dann verneintlich Ruhe zu haben - kann jetzt hier lernen !

Man unterschreibt ohne Not ein Schuldeingeständnis, welches 10 Jahre Bestand hat.

Insbesondere bei Bildrechtsverstössen kann das ruinös sein. Weil da kommt noch der Schadensersatz hintendran. In diesem Fall ging es jetzt nur noch um die Höhe und nicht mehr um das "ob".
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Re: Neues Gerichtsurteil: Mengenrabatt bei Bilderklau! - LG Frankenthal AZ 6 O 202/19

Ohja. Nie eine vorgefertigte UE unterschreiben!

Entweder man versucht ob die Gegenseite eine modifizierte UE akzeptiert (wo man gewisse Fehler ganz genau auf den passierten Fall eingrenzt), oder aber man lässt es auf eine Klage ankommen und bindet sich dadurch keinen jahrelangen Klotz ans Bein.
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kreien
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Re: Neues Gerichtsurteil: Mengenrabatt bei Bilderklau! - LG Frankenthal AZ 6 O 202/19

Roemer hat geschrieben: 20. Nov 2021 12:23 Man unterschreibt ohne Not ein Schuldeingeständnis, welches 10 Jahre Bestand hat.
Ich fürchte, es ist noch schlimmer. Die Gültigkeitsdauer der strafbewehrten Unterlassungserklärung als so eine Art Dauerschuldverhältnis ist nicht ganz unumstritten, aber mehr in die Richtung, ob diese nach 30 Jahren endet oder unbefristet (lebenslang) weiterläuft, vgl. https://www.heise.de/resale/artikel/Vor ... 30471.html.

Die 10 Jahre stellen eher darauf ab, wie lange ein Verstoß des Unterlassungsschuldners, der gegen die Unterlassungserklärung verstoßen hat, ab Bekanntwerden eingetrieben werden kann. Also die Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB als Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe – das tangiert aber nicht die Gültigkeitsdauer der Unterlassungserklärung selbst.

Ist das nicht alles toll geregelt oder?

Am Rande: Unsere Nachbarin parkt gerade hochtourig und mit Familienunterstützung ein, und ich warte seit Jahren auf das hier:

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