Ethische Beurteilung zur Berücksichtigung von Handelsembargos

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Ach
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Ethische Beurteilung zur Berücksichtigung von Handelsembargos

Aus dieser Diskussion hier aufgegriffen:
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Es geht um ein Handelsembargo gegen Russland.

Die Position von Andre (KM) fand ich sehr richtig:
Andre (KM) hat geschrieben: 24. Mai 2022 07:50 Der Sinn von Embargos ist u.a. dass auch die Bevölkerung nicht die Ware aus dem Ausland bekommt, die sie gerne hätte. Es soll ja weh tun bzw. das Leben unbequem machen.

Schon aus moralischen Gründen würde ich darauf verzichten, wenn es nicht sogar aus rechtlichen ggf. verboten ist.
Überrascht war ich dann über seine Begründung:
Andre (KM) hat geschrieben: 24. Mai 2022 12:17
Zierfischprofi hat geschrieben: 24. Mai 2022 11:37

Aus moralischen Gründen keinen Russen beliefern hört sich für mich nach Sippenhaft an. Die meisten Russen dort können nichts dafür und möchten auch nur in Frieden leben.
Embargos dienen gezielt diesem Zweck. U.a. die Bevölkerung so stark zu nerven, dass sie auf die Barrikaden geht, damit sie wieder ihr normales Leben führen können - was erst möglich sein wird, wenn der Krieg beendet wird. Eigentlich nicht so kompliziert
Da ich diese Argumentation problematisch finde, möchte ich ihr alternative Argumentationen zur Seite stellen.


Vorabannahmen (die ich begründen kann, an dieser Stelle aber nicht begründen möchte):
Annahme 1: Die Pflicht und Existenzberechtigung des Handels ist die optimale Verteilung von Waren (Ja, hier dürfen wir uns auf die Schulter klopfen)
Daraus Annahme 1b: Die Belieferung von Personen ganz allgemein ist Pflicht des Händlers.
Annahme 2 Aber: Mit dem Recht (und auch dem Wunsch) eines potentielles Kunden, sich beliefern zu lassen, entsteht keine Pflicht des Händlers, beliefern zu müssen. Es ist wie beim Boxen: Mit dem Recht des einen, nach dem anderen zu schlagen, entsteht für den anderen noch lange keine Pflicht, sich treffen zu lassen oder zu Boden zu gehen.

Zwischensatz 1: Wir dürfen Kunden ablehnen.

Erfahrung1: Manchmal ist die Welt ein besserer Ort, wenn wir einen Kunden NICHT beliefern.

Zwischensatz 1 + Erfahrung:
Zwischensatz 2: Manchmal ist es unsere Pflicht, einen Kunden abzulehnen, um diese Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Die bisherigen Sätze lassen sich auf Kundengruppen ausweiten, sofern wir von ungerechtfertigter Diskriminierung absehen. (Wenn wir also einem Kunden Hausverbot erteilen oder ihn sperren, weil davon die Welt einfach besser wird, dann ist das genau richtig.)

Zwischensatz 3: Manchmal ist es unsere Pflicht, Kundengruppen abzulehnen. Dabei ist ungerechtfertigte Diskriminierung auszuschließen.


Zu prüfen ist jetzt:
- Ist das Handelsembargo gegen Russland grundsätzlich richtig (und nicht ungerechtfertigt diskriminierend)?
-> Wenn ja, dann ist es (im Zusammenspiel mit dem kategorischen Imperativ) Pflicht, das Embargo zu befolgen.
Oder: Macht das Handelsembargo die Welt zu einem besseren Ort?
->Dann ist es im Zusammenspiel mit Erfahrung 1 und Zwischensatz 3 und dem kategorischen Imperativ Pflicht, das Embargo zu befolgen.

Nur wenn keins von beiden zutrifft, wäre der Schlusssatz ein anderer: "Du bist nicht verpflichtet, die Lieferung zu unterlassen, aber du darfst die Lieferung unterlassen."

Ausnahme:
- Können extrem wichtige Produkte, deren Verzicht nicht zumutbar ist und die nicht von woanders her beschafft werden können, sein. Denn dann steht Annahme 2 in Frage.


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roman
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Re: Ethische Beurteilung zur Berücksichtigung von Handelsembargos

:durchdreh:
marcibet
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Re: Ethische Beurteilung zur Berücksichtigung von Handelsembargos

Ich sehe das wirtschaftlich und nicht moralisch. Wenn Lieferungen nach Russland nicht erlaubt sind dann liefer ich nicht nach Russland, man will ja keine Strafe bekommen. Wenn der Russe aber (wie in dem erwähnten Thread) eine zweite Firma in Deutschland hat (oder eben eine Partnerfirma die das für Ihn bei mir kauft und dann an den Russen weiterleitet) ist mir das ehrlich gestanden völlig egal. Ich bin nicht dafür zuständig irgendwelche politischen Zwänge durchzusetzen, sondern ich trage wirtschaftlich Sorge dass es meiner Familie sowie meiner Firma und damit meinen Mitarbeitern gut geht, und das auch noch die nächsten Jahre.
iceman41
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Re: Ethische Beurteilung zur Berücksichtigung von Handelsembargos

Ich, für meinen Teil, habe beschlossen Russland erst mal auszuklammern.
Keine Unterstützung in irgendeiner Form für diese Diktatur. Auch nicht in Form von Zöllen und Steuern die bei Einfuhr fällig werden.

Sollte Russland irgendwann in die demokratische Familie zurückkehren mache ich gerne wieder Geschäfte mit Russland.

Aber aktuell... Nein.

Ausserdem Thema Sippenhaft: Wer nichts sagt macht sich mitschuldig, und die Bevölkerung soll ja merken in welchen Mist sie sich hinein manövriert haben.
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Zierfischprofi
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Re: Ethische Beurteilung zur Berücksichtigung von Handelsembargos

Nein, wer nichts sagt macht sich nicht mitschuldig. Nicht jeder möchte 15 Jahre im Gulag verschwinden. Wir hatten solche Zeiten hier auch, da hatten die meisten Leute auch aus Angst die Klappe gehalten. Im 3. Reich und auch in der DDR. Daher möchte ich die Leute dort nicht verurteilen. Bei uns heute, da kann man die Klappe aufmachen. Aber dort nicht.
Zuletzt geändert von Zierfischprofi am 24. Mai 2022 16:50, insgesamt 1-mal geändert.
iceman41
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Re: Ethische Beurteilung zur Berücksichtigung von Handelsembargos

Zierfischprofi hat geschrieben: 24. Mai 2022 16:43 Nein, wer nichts sagt macht sich nicht mitschuldig. Nicht jeder möchte 15 Jahre im Gulag verschwinden.
Martin Niemöller:



Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschaftler.

Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude.

Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.


https://encyclopedia.ushmm.org/content/ ... socialists


Man kann auch Nein sagen ohne demonstrieren zu gehen.
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Zierfischprofi
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Re: Ethische Beurteilung zur Berücksichtigung von Handelsembargos

Sehr poetisch, ändert jedoch nix.
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Re: Ethische Beurteilung zur Berücksichtigung von Handelsembargos

Im Osten gab es vor `89 auch Stasi & Knast und so weiter, trotzdem haben viele Leute den Mut gehabt
überall auf die Straße zu gehen. Irgendwann sind es so viele Menschen die aufstehen, das man die einfsch
nicht mehr ALLE Einknasten und Mundtot machen kann.

Aber diese kritische Masse muss man eben erst mal erreichen!
Darum haut der Putin ja alles zusammen, was sich gegen Ihn und seine Diktatur regt, da er ganz genau weiß,
wenn die Sache auf der Straße einmal richtig losrollt, ist es aus mit seiner Macht und dem Unterdrückungsapparat.

Eine Idee wird physische Gewalt sobald Sie die Massen ergreift
- schrieb Marx schon vor vielen Jahren.
iceman41
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Re: Ethische Beurteilung zur Berücksichtigung von Handelsembargos

Man kann auch passiv Widerstand leisten. Ich verlange von niemand unter solch einem Regime auf die Strasse zu gehen, das erfordert Mut den die meisten nicht haben oder nicht haben wollen weil sonst die Familie leidet. Kann ich verstehen, würde ich vermutlich auch nicht tun.

Aber:
Versuchen so wenig wie nur möglich mitmachen und wo es geht das System schädigen und zu dessen Schaden ausnutzen geht immer.

Und um zurück zum Thema zu kommen, manch einem fällt vielleicht erst dann auf dass etwas nicht stimmt wenn es plötzlich nicht mehr das gewohnte zum kaufen gibt, weil im russischen Propaganda TV ist ja alles in bester Ordnung. Irgendwann stellt sich auch der letzte Depp dann die Frage warum alles ok sein sollte und es trotzdem nix mehr gibt.

Das ist auch mit den Gefallenenzahlen, offiziell gibt es 1500 Gefallene, wenn jetzt aber in der eigene Strasse oder im eigenen Dorf schon etliche Fälle bekannt werden dann fragt man sich doch irgendwann wie das sein kann.
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