Warum eigentlich müssen die kleinen Händler sterben?

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Technokrat
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Warum eigentlich müssen die kleinen Händler sterben?

Noch vor ein paar Jahren war das allgemeine Unwort der "Wohnzimmerhändler".

Der wurde belächelt und als unprofessionell eingestuft - und auch wenig geliebt, weil er die Preise kaputt machte. Kein Personal, kein Lager etc. der Wohnzimmerhändler schien ein wenig das Schreckgespenst der etablierten Händler zu sein.

Neuerdings ist der allgemeine Tenor, dass die kleinen Händler, auch die, die damals Angst vor Wohnzimmerhändlern hatten, sterben werden.

Ja aber warum eigentlich? Was hat sich geändert?

Weil die Chinesen gerade Steuerlöcher nutzen?
Weil sich große Händler Preisschlachten liefern und sich mit immer weniger Marge zufrieden geben, nur um zu überleben?
Weil Amazon alle auffrisst - und sich direkt vom Hersteller beliefern lässt?
Weil eBay ein Amazon-Klon wird und mitfrisst - und sich vom Hersteller direkt beliefern lässt?
Weil Rakuten schon alle aufgefressen hat?

Warum ist das eigentlich so sicher, dass die kleinen Händler sterben werden?


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Woody-HH
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Re: Warum eigentlich müssen die kleinen Händler sterben?

Technokrat hat geschrieben:Noch vor ein paar Jahren war das allgemeine Unwort der "Wohnzimmerhändler".

Der wurde belächelt und als unprofessionell eingestuft - und auch wenig geliebt, weil er die Preise kaputt machte. Kein Personal, kein Lager etc. der Wohnzimmerhändler schien ein wenig das Schreckgespenst der etablierten Händler zu sein.

Neuerdings ist der allgemeine Tenor, dass die kleinen Händler, auch die, die damals Angst vor Wohnzimmerhändlern hatten, sterben werden.

Ja aber warum eigentlich? Was hat sich geändert?

Weil die Chinesen gerade Steuerlöcher nutzen?
Weil sich große Händler Preisschlachten liefern und sich mit immer weniger Marge zufrieden geben, nur um zu überleben?
Weil Amazon alle auffrisst - und sich direkt vom Hersteller beliefern lässt?
Weil eBay ein Amazon-Klon wird und mitfrisst - und sich vom Hersteller direkt beliefern lässt?
Weil Rakuten schon alle aufgefressen hat?

Warum ist das eigentlich so sicher, dass die kleinen Händler sterben werden?
Gefressen wird, wer nicht mindestens eine relevante Sache besser kann als Amazon & Co.
Ich habe keine Angst.
welpe
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Re: Warum eigentlich müssen die kleinen Händler sterben?

Amazon hat viele Produkte nicht und so lange die nicht in jedem Produktbereich jetzt extra Personal einstellen die sich auch mit dem Produkt auskennen mache ich mir keine Sorgen.
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Scienceticker
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Re: Warum eigentlich müssen die kleinen Händler sterben?

2 Beobachtungen meinerseits:

1.) Viele, viele Händler, die ich kenne, haben tatsächlich aufgehört (völlig andere Produkte als bei mir).
2.) In manchen Segmenten meines Sortiments läßt die Konkurrenz nach.
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Wolkenspiel
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Re: Warum eigentlich müssen die kleinen Händler sterben?

Es ist wie im stat. Handel auch: wer keinen USP hat, fliegt. Warum soll ich mich mit kleinen Shops rumärgern, wenn ich ein T-Shirt haben will, welches ich mit meinen Briefumschlägen zusammen bei Ama kaufen kann? So der Kundengedanke. Mit den Chinesen hat das m.E. nichts zu tun.
boschi147
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Re: Warum eigentlich müssen die kleinen Händler sterben?

Ich glaube man kann es nicht pauschalisieren, denke aber schon, dass der Trend zum "Großen" geht. Ama, Rakuten, vielleicht auch Ebay, werden immer perfekter und machen alles für den Kunden. Den Preis dafür zahlt dann der kleine Händler. Er wird immer mehr gedängelt. Dem Kunden ist das völlig egal, hauptsache billig, 5 Jahre Gewährleistung, 100 Tage Rückgaberecht, ohne Angabe vorn Gründen, achja, und kostenloser Rücktransport, versteht sich, ist ja logisch.

In diesem Sinne, allen ein schönes WE!!
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lallekalle
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Re: Warum eigentlich müssen die kleinen Händler sterben?

Ich denke, es gibt hier verschiedene Punkte:

1) Die meisten Händler haben leider nicht das Glück einen Erfolgreichen Onlineshop zu haben und verkaufen in erster Linie auf Amazon / Ebay. Hier sind sie komplett abhängig.
2) Die meisten Händler verkaufen keine eigenen Produkte, sondern Artikel die sie beim Distri / Hersteller zukaufen. Der Trend geht dazu, dass der Hersteller direkt an Amazon verkauft. Somit braucht man den Händler nicht und die Preisspirale drückt das ganze enorm weiter.
3) Die Chinesen überfluten bereits jetzt die Marktplätze, und werden dieses weiter tun. Ich glaube, wir stehen hier auch erst am Anfang. Das wird noch schlimmer. Somit werden die eigenen Produkte deutlich verwässert und schlechter gefunden. Schaut Euch einfach einmal die Top100 Artikel bei Amazon in den jeweiligen Kategorien an - die meisten Artikel kommen vom Chinamann. Zusätzlich zu der Masse an Artikel die gelistet sind, kommt noch dazu, dass die Chinesen sich an keine europäischen Richtlinien halten müssen, und Steuern meist ebenfalls ein Fremdwort sind.

Ich kann hier ein Beispiel machen: Im Bereich Notebooktaschen war es so, dass es vor ca. 3 Jahren 86000 Suchbegriffe auf ein spezielles Keyword gab. Vor kurzem waren es 860000. Somit ist es klar, dass die Produkte komplett verwässert werden und es deutlich schwieriger ist zu verkaufen.

4) Wohnzimmerhändler sind noch immer ein Problem.
5) Scheinprivate sind ebenfalls ein Problem, da sie ebenfalls below the line verkaufen.
6) Amazon und Ebay ziehen sukzessive die Daumenschrauben an. Ich bin mir sicher, dass in kürze z.B. in allen Bereichen kostenlose Rücksendungen an den Händler gefordert werden, oder bei FBA die Gebühren für Rücksendungen an den Händler umgelegt werden. Alle Massnahmen von Amazon dienen nur dazu, dass das Konstrukt viel größer und der Einflussbereich von einem normalen Händler kleiner wird.
7) Den meisten Händlern fehlt das Alleinstellungsmerkmal - und wenn sie eines haben, dann kann dieses über die Plattformen gar nicht richtig kommuniziert werden.
8) Der Preis- und somit Margendruck ist enorm - jeder hat Druck, sowohl der Händler, wie auch bei den meisten Herstellern brennt der Baum. Wenn man hier gross genug und wichtig genug ist, kann man davon profitieren, wenn man eher klein ist, geht man unter, da andere bessere Konditionen mit besseren Rabatten / Bonis / Mengenstaffeln erhalten, als die kleinen. Beispiel IT-Distribution. In meinen Jahren in der IT-Distribution gab es Händler die eine externe Festplatte bei Amazon mit 30 Cent Marge verkaufen. Das kann ja gar nicht funktionieren. Machen sie den Preis jedoch nicht, bleiben sie auf der Ware sitzen.
9) "Dumme Händler" - schaut Euch doch mal die entsprechenden Facebook-Gruppen an - dort wird soviel Werbung geschaltet ala "Mit Dropshipping passives Einkommen erzielen" oder "in 30 Tagen zum Umsatzmillionär". Diese Kurse werden offensichtlich als der Heilige Gral verkauft, und zahlreiche Händler stürzen sich da in das FBA verderben. Schnell mal bei Alibaba geschaut, Produkt eingekauft, nicht konform, keine Ahnung von Steuern, Richlinien u.s.w - und dann kommt irgendwann der Knall. Aber auch diese sorgen dafür, dass die Produkte verwässert werden und der Händler meist früher oder später wieder verschwindet.
10) Geld macht Geld. Kleine Händler haben eben nur einen begrenzten finanziellen Handlungsspielraum um Dinge auszuprobieren. Ich sehe es doch selbst. Als ich angefangen hatte, hatte mir selbst die Amazon Mitgliedschaft mit 39 EUR / Monat Bauchschmerzen bereitet, weil ich nicht wusste, ob sich das rechnet. Hat man mal 100000 EUR auf dem Konto, kann man sich viele Fehltritte leisten, oder kauft einfach mal bei EOL-Ware den ganzen Lagerbestand auf und verkauft die Ware mit einer höheren Marge.

Ich denke, dass viele von den Händlern einfach langfristig nicht überleben können. Die Plattformen werden weiter die Daumenschrauben anziehen, die Margen werden weiterhin kleiner werden, die Onlineshops weiterhin bedeutungsloser. Auf den Marktplätzen werden bei den meisten, die Produkte von Grosshändlern nur zukaufen, die Umsätze weiterhin massiv nach unten gehen. Der Onlineshop ist quasi in ein paar Jahren der Einzelhandel. Entweder man ist spezialisiert und gross genug, oder man ist tot.

Meiner Meinung nach überleben nur die Shops / Händler die sich wirklich auf Nischen fokussieren und Spezialisieren, einen eindeutigen USP haben und diesen vorallem auch kommunizieren können, und Produkte verkaufen, die der Chinamann eben nicht so einfach verkaufen kann oder zumindest dabei eine recht große Hürde hat.
webstar
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Re: Warum eigentlich müssen die kleinen Händler sterben?

Viele kleine Shops "nötigen" ja die Kunden geradezu bei Amazon zu kaufen.
Ich habe im letzten Jahr ca. 10x bei einem "kleinen" eingekauft, davon wurde ich 4x massiv von der Lieferzeit getäuscht. Ich denke die Leute sind es leid verarscht zu werden, die Produktbeschreibung und die Verfügbarkeit muss stimmen. Leider sind es nicht nur die kleinen Shops die oft Verfügbarkeit vortäuschen, sondern auch etliche Größere.
Ich denke es wird noch schwerer ohne USP und Verfügbarkeit zu bestehen. Und jetzt mal ehrlich, wer als Kunde braucht schon den x-ten Shop der die Ware erst auf Bestellung beim Lieferanten bezieht?
wolle
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Re: Warum eigentlich müssen die kleinen Händler sterben?

Große verdrängen kleine Händler, weil sie das Geschäft in der Regel professioneller Betreiben und Skaleneffekte nutzen können.

Hier im Forum trifft man auch oft auf die Auffassung, dass man die Kunden nur nicht zu sehr verwöhnen dürfe, schließlich brauche man als Händler ein gesichertes Auskommen und könne sich nicht alle Probleme zurechnen lassen.

Ich kenne das aus unserer Branche nur zu gut: "Familiengeführt" heißt bei Hotels leider nur zu oft: Unfreundlich und hoher Investitionsstau. Fakt ist aber einfach: Wer das Tempo der anderen nicht mitgeht, der fällt hinten runter. Ich konnte das in den letzten Jahren oft beobachten. Ich kenne das aus vielen Gesprächen: Die Ausstattung ist nicht mehr zeitgemäß und es müsste dringend investiert werden. Dann kommt in geradezu triumphierendem Ton: "Von welchem Geld sollen wir das denn machen?" Als ob damit die Investitionsnotwendigkeit widerlegt wäre. Es interessiert aber leider niemanden, wie nötige Investitionen finanziert werden, es muss auch nicht fair sein und schon gar nicht gibt es die Pflicht von irgendjemandem, einem dabei zu helfen. Wenn man es nicht packt, scheidet man aus dem Markt aus. So einfach ist es.

Bei Händlern ist es nicht anders. Wenn einem nicht einfällt, was der Kunde bei einem selbst besser hat als bei der Konkurrenz, dann gibt es keinen Grund, wieso der Markt einen überleben lassen sollte. Man kann dann noch ne Weile mitschwimmen, aber irgendwann ist Feierabend.

Es gibt erfolgreiche Nischenhändler und die wird es auch immer geben. Aber m.E. wird auch Nische bald bedeuten, einen mindestens siebenstelligen Umsatz zu haben. Wenn man eine gute Nische hat, dann kann das ein Vorteil sein und es kann auch funktionieren. Aber mir fehlt die Phantasie, wie Händler mit beliebigen Produkten und 250.000 Euro Jahresumsatz langfristig überleben sollen.
bauti
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Re: Warum eigentlich müssen die kleinen Händler sterben?

webstar hat geschrieben:Viele kleine Shops "nötigen" ja die Kunden geradezu bei Amazon zu kaufen.
Ich habe im letzten Jahr ca. 10x bei einem "kleinen" eingekauft, davon wurde ich 4x massiv von der Lieferzeit getäuscht. Ich denke die Leute sind es leid verarscht zu werden, die Produktbeschreibung und die Verfügbarkeit muss stimmen. Leider sind es nicht nur die kleinen Shops die oft Verfügbarkeit vortäuschen, sondern auch etliche Größere.
Ich denke dass ist einer der Hauptgründe warum Amazon immer weiter wächst. Ich versuche immer in Onlineshops oder bei stationären Händlern einzukaufen und Amazon zu vermeiden. Aber immer wieder sind schwarze Schafe dabei. Erst vor kurzem habe ich beim größten deutschsprachigen Elektronikhändler was bestellt. Nach 10 Tagen haben wir immer noch keine Lieferung oder eine Nachricht erhalten. Auf meine Nachfrage habe ich dann (auch erst nach einigen Tagen) die Mitteilung erhalten dass die Ware erst vom Lieferanten geliefert werden muss. Keine Entschuldigung oder ein Lieferdatum. Ich hab nicht storniert da der Preis super war. Im Eindefekt hab ich das Teil dann erst 2 Monate später erhalten...
Wenn einem so was öfter passiert kauft man wahrscheinlich lieber bei Amazon als bei einem vielleicht sogar unbekannten Shop.

Auf Plattformen fliegen solche Händler halt raus.

Solche Händler zerstören auch das Vertrauen in seriösen Händlern. Die Kunden können ja vor dem Kauf nicht wissen ob der Service passt.
Mozartkugel
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Re: Warum eigentlich müssen die kleinen Händler sterben?

Die Wohnzimmerhändler können aber auch ganz schön nerven. Kaum hat man eine kleine Nische entdeckt was gut anläuft, kommt auch schon der 1. Spezi daher und bietet das gleiche an bzw. ein ähnliches Produkt für die Hälfte. beiss

Mittlerweile bieten wir längst nicht mehr alles bei eBay an. Bei Amazon kann man den Erfolg etwas besser verheimlichen.
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Re: Warum eigentlich müssen die kleinen Händler sterben?

Mozartkugel hat geschrieben:Die Wohnzimmerhändler können aber auch ganz schön nerven. Kaum hat man eine kleine Nische entdeckt was gut anläuft, kommt auch schon der 1. Spezi daher und bietet das gleiche an bzw. ein ähnliches Produkt für die Hälfte. beiss

Mittlerweile bieten wir längst nicht mehr alles bei eBay an. Bei Amazon kann man den Erfolg etwas besser verheimlichen.
Wie das - gerade bei Amazon entscheidet doch allein der Verkaufspreis über die buybox und das Ranking des Artikel ist einfach auszulesen. Außerdem kann man sich - ohne jede Ahnung davon, wie man einen Artikel einstellt - einfach mit einem Billigpreis auf ein bestehendes Angebot setzen.

Bei ebay ist es doch so. dass ein Dumpingangebot erst einmal gefunden werden muss um im Ranking nach oben zu kommen. Zudem muss man in der Lage sein ein eigenes Angebot zu erstellen - daran scheitern doch viele Wohnzimmerhändler und Grosshandels Reseller schon.
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Technokrat
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Re: Warum eigentlich müssen die kleinen Händler sterben?

Sehr interessante Meinungen bisher, vielen Dank!

Ich versuche eigentlich immer den Service des eigenen Shops gegenüber der Plattformen zu toppen.
Von daher verstehe ich nicht, wie sich manche eigenständige Shops solche Geschichten erlauben können oder wollen. Aber wahrscheinlich habt ihr Recht, so etwas bereinigt der Markt vielleicht.

Ich denke generell gibt es keinen Status mehr, der so bleibt wie er ist.

Genauso wenig wie sich ein Hotel in der Gegenwart ausruhen kann, kann das ein Architekt oder Maurer oder sonstwer, da dafür einfach die Entwicklung viel zu schnell läuft. Ich denke genauso wenig kann sich ein Shopbetreiber mit seinem Shop hinstellen und davon ausgehen, dass der die nächsten 15 Jahre genau so durchläuft. Man sollte sein Dasein wahrscheinlich ohnehin als Dauerbaustelle verstehen, ohne den Anspruch zu haben jemals fertig zu sein.

Ich denke nicht, dass man das so als Zukunftsprognose pauschalisieren kann, dass die großen überleben und die kleinen sterben. Die Aufgabe der kleinen sollte lauten: Was können die großen nicht?

Man könnte den Spieß ja auch umdrehen und argumentieren, wenn es genug kleine gibt, die Services bieten, die die großen nicht bieten können - werden denn dann die großen überleben?

Ich weiß, ist ein bissel ein Geschwurbel und solange die Shops so agieren wie vor 15 Jahren wird das eher schwierig.

Einflüsse z.B. von Chinesen in der momentanen Steuerdiskussion, Wohnzimmerhändler (war ja selbst lange genug einer) oder Scheinprivate wird es imho immer in irgendeiner Form geben. In manchen Fällen kann man nur hoffen, dass sich die Gesetzgebung ebenfalls halbwegs schnell entwickelt. Wenn so ein Störeinfluss zum dauerhaften Problem wird, kann man sich eigentlich nur ebenfalls dagegenentwickeln und sich wieder überlegen: was können die nicht.
clarius
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Re: Warum eigentlich müssen die kleinen Händler sterben?

Bei der Diskussion wird vergessen, dass das Schließen eines Onlineshops nicht heißt, dass das Unternehmen dahinter gestorben ist. Möglicherweise haben sich neue, lukrativere Möglichkeiten ergeben oder es haben sich Prioritäten innerhalb des Unternehmens verschoben.

Dann gehören zu den Gründen, warum ein Shop aufgibt, auch das Verhalten der Hersteller und Großhändler. Einerseits scheint es ein riesiges Paralleluniversum zu geben, wo Amazon immer billigere Einkaufspreise bekommt als der Händler, andererseits versuchen auch Hersteller und Großhändler direkt an Endkunden zu verkaufen und lassen auch keine Möglichkeit aus, den Händler auszuschmieren.
Wolle hat geschrieben:Große verdrängen kleine Händler, weil sie das Geschäft in der Regel professioneller Betreiben und Skaleneffekte nutzen können.
Die Größe bzw. der Umsatz eines Händlers spielt in Bezug auf die überlebensfähigkeit imho nur eine kleine Rolle. Ein großer Umsatz bringt zwar positive Skaleneffekte, die aber von anderen Faktoren zum Teil wieder aufgefressen werden. Dazu kommt, dass der negative Skaleneffekt durch sinkende Margen stärker ins Gewicht fallen.
Wolle hat geschrieben:Es gibt erfolgreiche Nischenhändler und die wird es auch immer geben. Aber m.E. wird auch Nische bald bedeuten, einen mindestens siebenstelligen Umsatz zu haben. Wenn man eine gute Nische hat, dann kann das ein Vorteil sein und es kann auch funktionieren. Aber mir fehlt die Phantasie, wie Händler mit beliebigen Produkten und 250.000 Euro Jahresumsatz langfristig überleben sollen.
Die ganze Diskussion wird zu Umsatzlastig geführt. Warum soll den ein kleiner Händler mit 250.000 EUR Umsatz nicht langfristig überleben können? Wenn er seine Geschäftsabläufe im Griff hat und die Marge passt, dann hat der kleine Händler doch ein entspannteres Leben als der Große mit 1 Mio Umsatz und wesentlich höheren Kosten (Personal, Räume, gesetzliche Befindlichkeiten...).
Wolle hat geschrieben:Fakt ist aber einfach: Wer das Tempo der anderen nicht mitgeht, der fällt hinten runter.
Ich finde, dieses "Viele Leute machen irgendwas, weil andere gesagt haben, dass das jetzt alle machen" ist nicht gut. Was ist, wenn die anderen mit Tempo in die falsche Richtung laufen? Wenn alle alles gleich machen, dann haben die kein Unterscheidungsmerkmal (USP will ich das noch gar nicht nennen) und dann braucht man diese Shops nicht wirklich.
wolle
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Re: Warum eigentlich müssen die kleinen Händler sterben?

clarius hat geschrieben:Die ganze Diskussion wird zu Umsatzlastig geführt. Warum soll den ein kleiner Händler mit 250.000 EUR Umsatz nicht langfristig überleben können? Wenn er seine Geschäftsabläufe im Griff hat und die Marge passt, dann hat der kleine Händler doch ein entspannteres Leben als der Große mit 1 Mio Umsatz und wesentlich höheren Kosten (Personal, Räume, gesetzliche Befindlichkeiten...).
In die Zukunft kann man nicht blicken. Fakt ist aber, dass es bisher immer so war und ich nicht sehe, wieso es anders sein sollte. Vor 100 Jahren gabs es hunderte (vermutlich tausende?) Kfz-Hersteller. Heute ist der Markt im Prinzip unter 5-10 echten Playern aufgeteilt.
clarius hat geschrieben:Die ganze Diskussion wird zu Umsatzlastig geführt. Warum soll den ein kleiner Händler mit 250.000 EUR Umsatz nicht langfristig überleben können?
Warum sollte er überleben können? Das ist viel zu klein, um irgendeinen echten Mehrwert bieten zu können, der nicht spielend nachgemacht werden kann.
clarius
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Re: Warum eigentlich müssen die kleinen Händler sterben?

wolle hat geschrieben:Vor 100 Jahren gabs es hunderte (vermutlich tausende?) Kfz-Hersteller. Heute ist der Markt im Prinzip unter 5-10 echten Playern aufgeteilt.
In einer Diskussion, in der es darum geht, ob und warum Onlinehändler verschwinden, (Auto-)Hersteller als Gegenbeispiel anzuführen, finde ich nicht ganz passend. Ein Hersteller hat ganz andere Einstiegshürden in Sachen Maschinen, Räumen und Personal. Autos sind im Laufe der Zeit wesentlich Komplexer geworden und die Gesamtumstände lassen die erfolgte Konsolidierung des Marktes logisch erscheinen. Darüber hinaus haben es einige Autohersteller im Laufe der Zeit einfach beim Kunden verschissen, weil die Qualität schlecht war oder die Kisten total hässlich. Ich habe mit Autos nicht so viel am Hut (bin da nur Benutzer) aber ich weiß, dass es noch recht kleine Automanufakturen gibt und in den letzten Jahren auch Neueinsteiger auf dem Gebiet gab. Immer wenn es eine gewisse Marktkonzentration gibt, ist auch Platz für was neues.
wolle hat geschrieben:Warum sollte er überleben können? Das ist viel zu klein, um irgendeinen echten Mehrwert bieten zu können, der nicht spielend nachgemacht werden kann.
Was soll denn der viel beschworene "echte Mehrwert" denn sein? Inzwischen sind wir doch soweit, dass wir dem Kunden noch Geld mitbringen, damit er was kauft. Kostenlose Retouren wäre so ein Beispiel - es reicht noch nicht, dass der Händler auf den Hinsendekosten und allen Zahlungskosten sitzen bleibt, er legt nochmal kräftig was oben drauf. Was kommt nach Same-Day-Delivery? Kostenlose Lieferung innerhalb von 2 Stunden - danach Kühlschrank einräumen - danach Müll rausbringen - dann dem Kunden die Bude noch staubsaugen. Wenn Amazon Vorwerk und Miele kauft wisst Ihr Bescheid juhu
wolle
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Re: Warum eigentlich müssen die kleinen Händler sterben?

clarius hat geschrieben:Was soll denn der viel beschworene "echte Mehrwert" denn sein? Inzwischen sind wir doch soweit, dass wir dem Kunden noch Geld mitbringen, damit er was kauft. Kostenlose Retouren wäre so ein Beispiel - es reicht noch nicht, dass der Händler auf den Hinsendekosten und allen Zahlungskosten sitzen bleibt, er legt nochmal kräftig was oben drauf. Was kommt nach Same-Day-Delivery? Kostenlose Lieferung innerhalb von 2 Stunden - danach Kühlschrank einräumen - danach Müll rausbringen - dann dem Kunden die Bude noch staubsaugen. Wenn Amazon Vorwerk und Miele kauft wisst Ihr Bescheid
Ach naja, sind wir doch mal ehrlich: Bei 95% der Händler, die hier im Forum sind, würd ich nix kaufen, weil ich mich nicht so behandeln lassen würde.

Als bei Amazon nach 1,5 Jahren der Fernseher kaputtgegangen ist hab ich denselben nochmal bestellt und den alten grade in der Verpackung des neuen zurückgeschickt. 3 Tage später hatte ich das Geld wieder. Man stelle sich nur vor, wie das gelaufen wäre, wenn ich bei einem Händler hier im Forum bestellt hätte.
"Bitte zur Prüfung einsenden" "Jetzt hat er denselben Fernseher wieder bestellt, das kanns doch nicht geben". "Nach 6 Monaten ist Beweislastumkehr, muss ich da erstatten?" Mit sowas würde ich mich als Kunde nie rumplagen wollen

Als ich letztes Jahr in Berlin war und mit meiner Tochter ins Hotelschwimmbad gehen wollte, hab ich festgestellt, dass wir den Wasserball vergessen haben. Amazon Sameday Delivery war glaub ich 3 Stunden später an der Hotelrezeption abgegeben worden.

Und ja, jetzt gehts wieder los: "Ja, wie soll man das als kleiner Händler machen, Amazon hat da ja ganz andere Möglichkeiten". Ja, stimmt. Amazon hat andere Möglichkeiten. Aber wie das ein kleiner Händler macht, ist ehrlich gesagt sein Problem. Und wenn er es nicht kann, dann wird er vermutlich hinten runterfallen.
roman
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Re: Warum eigentlich müssen die kleinen Händler sterben?

Dann sollte der Winzighändler schonmal keine Fernseher und keine Wasserbälle verkaufen.
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Re: Warum eigentlich müssen die kleinen Händler sterben?

wolle hat geschrieben: Als ich letztes Jahr in Berlin war und mit meiner Tochter ins Hotelschwimmbad gehen wollte, hab ich festgestellt, dass wir den Wasserball vergessen haben. Amazon Sameday Delivery war glaub ich 3 Stunden später an der Hotelrezeption abgegeben worden.
Du gehst in ein Hote, das ein Schwimmbad hat, aber keine Wasserbälle zum Verkauf anbietet? Was ist das denn für eine unflexibele Bude und wieso hast Du dich im Vorfeld nicht darüber informiert, das genau dieses Alleinstellungsmerkmal dort nicht vorhanden ist?

Suboptimal vorbereitet und dann noch das falsche Hotel ausgesucht. Wenn deine Tochter da mal nicht über den Wechsel des Vaters, hin zu einem richtig guten Anbieter, nachgedacht hat. aetsch
_________________

Denken ist wie googeln, nur viel spannender!
roman
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Re: Warum eigentlich müssen die kleinen Händler sterben?

Im Ernst: Dem Kunden der seinen Fernseher bei Amazon kauft weil er ihn jahrelang - warum auch immer - zurückgeben kann, oder der seinen Wasserball innerhalb von 3 Stunden geliefert haben möchte, wird man wahrscheinlich nicht erreichen.
Ist so.
Und sogar wenn man das anbieten kann/möchte, dann würde dieser Kunde das Angebot wohl trotzdem nicht annehmen und weiterhin beim "original" bestellen (siehe Ebay-Thematik: Ebay will ja bestenfalls eine schlechte Amazon-Kopie werden).

Aber deswegen den Kopf in den Sand stecken?

Es gibt sooo viele Möglichkeiten sich von Amazon abzugrenzen. Zum Beispiel mit größerem Sortiment (Amazon hat so viele Produkte überhaupt nicht im Sortiment), mit besserem Preis (in vielen Nischen wird bei Amazon zu Apotherpreisen angeboten), mit weiteren/anderen Service- oder Zusatzleistungen. Undundund.

Blöd ist's halt wenn man wirklich nur Produkte hat die auch Amazon anbieten, möglicherweise dort sogar zu einem relativ günstigen Kurs. Dann wird das leben sicher schwer. Aber das weiß ein betroffener Händler, sofern es ihn überhaupt noch gibt, nicht erst seit gestern.
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