Als Anbieter von ERP- und WMS-Lösungen geht's oft auch darum, über den Tellerrand der Software hinauszublicken und den Vertrieb zu ent-chaotisieren, manchmal aber auch bewusst das Chaos (zumindest im Lager) einzuführen. Erst letzten Donnerstag einen bekannten eCommerce-Händler besucht und nach nur einer Stunde im Lager haben wir prinzipiell an _jeder_ Stelle Stellschrauben gesehen, um bisweilen dramatisch zu optimieren. Die Vor-Sortierung im Wareneingang wird entfallen, das Bekleben der Artikel (!) mit einer Lagerplatz-Etikette wird künftig nicht mehr benötigt, das manuelle mit-dem-Edding-Markieren von Picklisten wird ebenso entfallen, vor allem aber das manuelle Suchen in Wühlkisten der heutigen Sammel-Kommissionierung wird endlich ein Ende haben ... nur so als Beispiel.
Ansatzpunkt: Heutige Prozesse des Unternehmens erst mal schriftlich festhalten:
- Was macht der Unternehmen heute?
- Wie viele Schnittstellen, Software-Lösungen, Mitarbeiter / Abteilungen gibt es?
- Wo will das Unternehmen künftig hin (Thema Skalierbarkeit / Wachstum oder Neuausrichtung)?
- Und dann mal _einen_ einzigen Auftrag durchspielen und alle Prozesse notieren: Wo kommt bei wem wie was für ein Auftrag an, von wem wird er wozu wann wie und wo bearbeitet, wann stösst was wie die 'Logistik' an, bis am Ende (nur eine Vermutung) eine Ware dem Auftraggeber vor die Tür gestellt wird. Was passiert dann, z.B. POD (proof of delivery), digital/analog? Was macht der Fahrer nach seiner Rückkehr? Ablage und Dokumente sortieren? Werden die gescannt, in Systemen erfasst? Gibt es Auswertungen / Kennzahlen?
- Hier gilt auch zu differenzieren, was ein 'normaler' Auftrag wäre und ob es auch Sonderfälle gibt, u.U. also auch einen Sonderfall mal durchspielen.
Erst, wenn man die Prozesse kennt und mal skizziert hat, dann bietet es sich an, mal selbst Hand anzulegen und jeden der Prozesse selbst durchzuspielen, sich mit der Software und den Prozessen vertraut zu machen und zu verstehen, warum hier oder dort eine Eingabe passiert, hier oder dort jemand etwas freigibt oder ausdruckt oder protokolliert oder Datensätze verändert, auf Papier mit Bleistift Notizen macht.
Und dann, wenn man mit den Vorgängen vertraut ist, gern mal mit den einzelnen Abteilungen sprechen, eine Wunschliste aufnehmen und - ganz wichtig! - diese priorisieren lassen. Dann mit den Abteilungsleitern das durchgehen und auch fragen, wann und von wem wie bereits früher Optimierungen gestartet und ggfs. wieder auf Eis gelegt wurden und warum.
Bevor man nun ohne innerbetriebliche Kenntnisse zu optimieren versucht und bevor man sich einen externen Berater in's Haus holt: Wenn möglich, vielleicht bei befreundeten Unternehmen des gleichen Genres mal die Abläufe besichtigen, vor allem bei Firmen, wo man weiß, dass sie die Digitalisierung nicht verschlafen haben und straffe, durchdachte Prozesse haben. Und vor allem: Dort fragen, wie man neue Systeme und Prozesse und Verfahren eingeführt hat, was half, was nicht half, was schiefgegangen ist und was besonders gut klappte.
Und damit erst hat man erst einmal ein gutes Bild. Und kann sich dann überlegen, wo's am schlimmsten brennt und wie sich das künftig vermeiden lässt. Nicht vergessen, nicht der Mitarbeiter, der am lautesten schreit, hat zwingend den größten Schmerz.
Darüber hinaus, wenn man mit der 'Ansicht' fertig ist, dann müssen auch Ziele definiert werden. Tipp: Ziele sollten 'smart' definiert sein (Das ist ein fester Begriff), sie sollten also realistisch und messbar sein und innerhalb eines fest definierbaren Zeitrahmens sein. "Wir wollen schneller werden" oder "Wir wollen Fehler vermeiden" entspricht keinem smarten Ziel. Aber "Die Waren künftig eine Stunde früher an der Rampe zum Verladen haben", das ist zumindest ein messbares Ziel, um ein ganz einfaches Beispiel zu nennen.
In jedem Fall: Viel Erfolg - klingt nach einer Herausforderung und einer spannenden Sache!
Chris