Onlinehändler Aussterben

[Kometenscheif]

Hallo Kollegen,

ich bin seit über 15 Jahren im Onlinebusiness auf Ebay, Amazon sowie eigenen Shops und
auch im stationären B2B Großhandel vor Ort tätig. Im laufe der Jahre haben sich viele
Freundschaften zu anderen "Onlinern" ergeben, heute beim entsorgen der Weihnachtspost
ist mir aufgefallen das gar nicht mehr so viele davon übrig geblieben sind. "Richtige" Onlineshops die Vollzeit arbeiten mit kleiner Belegschaft und "One man shows" gibt es kaum noch. Ich rede nicht von den
reinen Garagenfirmen die nur FBA machen sondern solche mit eigenem Lager und täglichem Versand.
Im Bereich normaler Handelsware gibt es kaum noch welche, sondern eher noch mit eigener oder individueller Artikel. Zeit sich mal selbst Gedanken zu machen, auch wenn es uns aktuell gut geht
und wir eine gute Auftragslage haben.

Folgende Gründe würden mir einfallen

- Bei Handelsware kaum noch Marge
- Preisdruck und Konkurrenz durch und mit FBA
- Immer neue rechtliche Hürden und Bestimmungen
- gefühlte "24" Stunden Rufbereitschaft (Amazon A-Z Garantie, Nachrichten Bearbeitungsdauer)
- Google Werbeanzeigen im hohen Konkurrenzkampf
- hohe Retourekosten
- Kaum Urlaub und kaum Freizeit
- Keine Glaubwürdigkeit für den reinen Onlinebetrieb bei Bank-Kreditanfragen
- Wenig Ertrag der die Mühen rechtfertigen würde
- Mitarbeitermangel, kaum qualifzierten und bezahlbare Hilfskräfte (BW)
- Ungewisse Zukunft und Altersicherung
- Absicherung bei Krankheit und Arbeitsunfähigkeit

Wie seht Ihr das? Habt ihr in letzter Zeit mit dem Gedanken gespielt einen Schlußstrich zu ziehen,
einen normalen Job anzunehmen und sich wieder auf das Leben und Familie zu konzentrieren?
Oder Bilde ich mir das nur ein?

[fossi]

Bin selber seit 2001 Vollzeit im Web unterwegs, seit 2007 zusätzlich sellerforum.de und habe seitdem verdammt viele Firmen kommen und gehen gesehen.

Viele alte "Powerseller" sind tatsächlich weg vom Fenster, selten aus Altersgründen, oft eher weil es sich nicht mehr rentiert hat. Handel ist eben Wandel und einige Konzepte, die vor 10 Jahren funktioniert haben, sind jetzt tot und dazu gibt die verschiedensten Gründe.

Der Hauptgrund besteht wohl aus geschrumpfte Margen durch zu viele Mitbewerber.
Vor 10 Jahren konnte man noch in die Metro fahren, ein paar Kartons "Irgendwas" einkaufen und die Sachen fürs Doppelte auf eBay einstellen. Die Zeiten sind lange vorbei und selbst mit hundsgewöhnlicher Großhandelsware ist kein goldener Blumentopf mehr zu gewinnen, da meist 10 Händler den gleichen Kram anbieten und nur noch der Günstigste entsprechende Ware absetzt. Auf Dauer ist das großer Mist.

Was bringt die Zukunft?
Da haben schon viele Leute orakelt!
Im Endeffekt muss man für sich selber entscheiden was noch Sinn macht, bzw sein Geschäftsmodell weiter optimieren, ggfs neue Geschäftsfelder erschließen, sich von schlecht laufender Ware trennen, Spezialisierung auf ein bestimmtes Sortiment, manche erweitern ihren Handel sogar durch eigenen Laden, usw.

Ich für meinen Teil werde dem eCommerce wohl weiter treu bleiben.
Wer quasi so lange (seit der Lehre) bzw fast die Hälfte seines Lebens dabei ist, hat eben einen gewissen Wissensvorsprung und entsprechende Kontakte bei Herstellern und Co.

[putinru]

"Habt ihr in letzter Zeit mit dem Gedanken gespielt einen Schlußstrich zu ziehen,
einen normalen Job anzunehmen und sich wieder auf das Leben und Familie zu konzentrieren?"

Solange ich das 5 - 10fache eines normalen Angestellten-Gehaltes verdiene, wäre ich ja blöd, irgend etwas zu ändern.

Noch funktioniert das System "FBA mit "PL" eben noch. Man wird sehen, wie lange noch...

[Mozartkugel]

hatte einen ähnlichen Gedankengang... ich als Angestellter und noch dazu einen Vorgesetzten vor der Nase? Nein, danke.

Dazu kommen noch die ganzen weiteren Probleme. Hab das im Studium selber erleben dürfen wie Karrieregeil z.T. meine Mitstudenten waren. War auch mal Praktikant bei einem großen Autobauer. Das war stellenweise nicht mehr schön was da abging, einfach nur ekelhaft.

[webstar]

Ich hatte mal irgendwo in einem Business-Magazin gelesen, das sich auf lange Sicht nur Online-Shops mit einem Umsatz von mehr als 5 Mio. halten können.
Ich denke das es auch mit weniger geht, jedoch nur in der Nische mit extremer Spezialisierung/Tiefe im Sortiment.
Alles was bei Amazon (direkt) läuft kann man vergessen, hier dürfte es auch in Zukunft eher noch schlimmer werden. Da Amazon und die anderen großen Shops überproportional wachsen.

Mit Amazon und FBA Geld verdienen, kann ich mir nur mit eigenen Produkten vorstellen.

[lallekalle]

"Solange ich das 5 - 10fache eines normalen Angestellten-Gehaltes verdiene, wäre ich ja blöd, irgend etwas zu ändern.

Glückwunsch. Da bist du aber sehr gut dabei. Da würde ich auch nichts ändern. Selbst wenn ich mir die meisten KMU Unternehmen und GmbHs hier in der Gegend anschaue, da haben die wenigstens einen Jahresüberschuss von 150-300k im Jahr.

Ich habe mir auch schon oft überlegt (wenn ich mich ärgere oder im Weihnachtsgeschäft kurz vor einem Burnout stehe) ob ich mein Einzelunternehmen nicht einfach verkaufe. Konkret hatte ich auch schon ein Angebot von einem Mitbewerber über 600k welches ich abgelehnt hatte. Das hörte sich zwar viel an, wenn ich aber überlege, wie viel Zeit und Invest ich hier reingesteckt habe, dann war mir dieses zu wenig - zumal ich und meine Freundin wir uns wieder einen Job suchen müssten. Da würde ich dann zwar wieder deutlich weniger arbeiten, dafür komplett fremdbestimmt. Und darauf habe ich keine Lust.

[lallekalle]

Ich hatte mal irgendwo in einem Business-Magazin gelesen, das sich auf lange Sicht nur Online-Shops mit einem Umsatz von mehr als 5 Mio. halten können.

Ganz so schlimm sehe ich es nicht, aber ich glaube auch fest dran, dass ein Grossteil der Onlineshop-Betreiber im Endeffekt Pleite sind, sie es jedoch nicht wissen. Amazon und Co werden alles überrollen - und ich bin mir sicher, dass nur Nischenshops oder Shops mit einem eindeutigen USP dauerhaft existieren können. Diejenigen die Gross sind, werden größer, diejenigen die klein sind ohne einen Vorteil für den Kunden, werden verschwinden.

Derjenige, der einfach vom Grosshändler Ware einkauft, und versucht teurer zu verkaufen, wird verschwinden. Das machen schon 40 andere Händler auf Amazon - und wahrscheinlich ist der Grosshändler dann auch noch mit dabei.

[Scienceticker]

- und wahrscheinlich ist der Grosshändler dann auch noch mit dabei.

Ohhh Jaaa.

[Nico-2012]

Natürlich gibt es viele Händler, die kommen und gehen. Habe letztens auch mal mein "Adressbuch" aktualisiert, da habe ich auch gedacht puh wen es da alles schon nicht mehr gibt.

Aber seien wir ehrlich, das ist stationär doch nicht anders. Ich wohne hier ziemlich ländlich und 2 Dörfer weiter gibt es die nächsten Einkaufsmöglichkeiten, mit einem "Einkaufszentrum". Wer es da alles schon versucht hat, mittlerweile ist eigentlich nur noch der Lebensmittelhändler in diesem tollen "Einkaufszentrum" übrig. Momentan macht hier jeder mit Versicherungen, bin mal gespannt wer in 5 Jahren davon noch übrig ist.

Aber ob es wirklich momentan mehr Onlinehändler gibt die aufhören als vor 5Jahren ich weiß es nicht, in manchen Branchen hatte ich immer schon das Gefühl, für einen der nicht rechnen kann kommen 4 neue nach. Ein weiterer Grund ist, einige merken mittlerweile die Auswirkungen von Ihrem schlechten Service und diese verschwinden auch nach und nach.

Deswegen werden wohl noch ganz viele Händler kommen und gehen, so ist das Leben.

[daytrader]

Konkret hatte ich auch schon ein Angebot von einem Mitbewerber über 600k welches ich abgelehnt hatte.

Was davon wohl übrig bliebe bis alles komplett abgewickelt ist und das FA sich seinen Teil gekrallt hat?

Mache das seit 2004 und hatte jedes Jahr Steigerungen. 2017 war also mein bestes Jahr. Schlagartig wird es wohl auch nicht einbrechen, wohl eher schleichend fallen, wenn es mal so weit ist. Ich glaube daher, dass ein paar Jahre noch gehen. Aber nach 14 Jahren bin ich einfach müde und habe keine Lust mehr. Ich plane daher eh nur noch 3-5 Jahre.

[lallekalle]

Was davon wohl übrig bliebe bis alles komplett abgewickelt ist und das FA sich seinen Teil gekrallt hat?

Genau das ist es. Dann bleibt noch die hälfte übrig. Und wenn ich überlege, dass ich sicherlich hier in meinen "Maschinenpark" 250-300k investiert habe, dann macht das alles keinen Sinn.

Aber nach 14 Jahren bin ich einfach müde und habe keine Lust mehr. Ich plane daher eh nur noch 3-5 Jahre.

Was kommt danach? Ausgesorgt? Rente? Nix mehr?

[Rotzeplom]

Gibt es eigentlich eine Statistik aus der ersichtlich ist, wieviel % der über zu kleine Margen und irrsinnige Serviceforderungen der Kunden jammernde Onlinehändler, für genau diese Zustände sorgen, indem sie durch den eigenen Verkauf ihrer Waren auf Amazon den hauptsächlichen Verursacher dieser Übel tatkräftig unterstützen?

[fuzzy]

Ich hatte mal irgendwo in einem Business-Magazin gelesen, das sich auf lange Sicht nur Online-Shops mit einem Umsatz von mehr als 5 Mio. halten können.

Das klingt nach einer Aussage des dynamischen Duos Heinemann/Hudetz, das mit solchen Sprüchen als akademische Trauerredner auf den kleinen Handel durchs Land zieht und sich dafür von den Auftraggebern (zufälligerweise nicht der kleine Handel) sicher nicht schlecht bezahlen lässt.

Ich bin seit 14 Jahren im Geschäft und rechne seit damals ständig damit, dass es irgendwann vorbei sein könnte. War es aber bislang noch nicht, und so reite ich die Welle einfach weiter, solange sie mich trägt. Danach wickle ich das Gewerbe binnen weniger Monate ab und mache was anderes.
Aber ich bin wahrscheinlich nicht repräsentativ, weil ich vom ersten Tag bis heute keine Geschäfte mit oder über Amazon, eBay oder andere Marktplätze gemacht habe, immer nur eigener Shop. Bevor ich mich zum schlecht bezahlten Sklaven eines Algorithmus mache, höre ich lieber auf.

[WolferP]

Mal von einer anderen Sicht.

Wir machen die Zulieferung schon ein paar Jährchen.

Natürlich gibt es viel Fluktuation von Kunden.

Was wir festgestellt haben ist das die Volumen größer werden.

Wenn früher ein Kunde bei uns im Jahr für 60k eingekauft hat.
Sind wir jetzt bei der 3 fachen Zahl ca.

Aber ich glaube nicht das die ''großen'' ganz die kleinen Fressen.
Wir haben jetzt 9 gute Jahre lassen wir das mal anderes werden.

Meisten sind die ''großen'' mit Rücklagen und Fixkosten nicht so gut aufgestellt.

Ich bin gespannt wo die Reise hingeht

[Scienceticker]

Zu Großhändlern kann man übrigens auch noch anmerken, daß einige recht kräftig unter dem Rückgang des stationären Handels leiden. Da wird es also möglicherweise auch noch Verschiebungen in den nächsten Jahren geben.

[online-beobachter]

Die gute Nachricht: Auch ebay und Amazon wird das Schicksal irgendwann treffen
Die Schlechte: Wird vermutlich aber noch ein paar Jahr dauern

[bcksbx]

Aber ich bin wahrscheinlich nicht repräsentativ, weil ich vom ersten Tag bis heute keine Geschäfte mit oder über Amazon, eBay oder andere Marktplätze gemacht habe, immer nur eigener Shop. Bevor ich mich zum schlecht bezahlten Sklaven eines Algorithmus mache, höre ich lieber auf.

Und jetzt stell Dir mal vor, Du hättest noch die Gewinne gutgehender Artikel mit strammer Marge, der Leute, die einzig und allein nur über Marktplätze und amazon kaufen. Das wäre ja fast nicht auszuhalten

[Investor]

Wie seht Ihr das? Habt ihr in letzter Zeit mit dem Gedanken gespielt einen Schlußstrich zu ziehen,
einen normalen Job anzunehmen und sich wieder auf das Leben und Familie zu konzentrieren?
Oder Bilde ich mir das nur ein?

Es ist ja wie immer, es kommt auf die individuelle Lage an. Es gibt ja hier Leute die nicht wissen wohin das Geld noch gestapelt werden kann und andere die halt nichtmal die Krankenkasse bezahlen können. Solange es läuft ist es doch gut, sicherlich wird das Business die nächsten Jahre nicht einfacher. Das ist aber doch mit allem so.

Man sollte in der Selbstständigkeit auch immer das worst-case rechnen, also auch mal paar Monate von heute auf morgen auszufallen. Wahnsinn das da Leute unterwegs sind die nichtmal paar Tausend Euro Cash zum überbrücken von Notfällen in der Hinterhand haben.
(aber auch da kommt es ja auf die individuellen Umstände an)

Die gute Nachricht: Auch ebay und Amazon wird das Schicksal irgendwann treffen

ebay macht das ja geschickt, die warten nicht bis oder ob ein Schicksal zuschlägt, die fahren es eigenhändig gegen die Wand

[Ralf]

Wir sind jetzt seit 2001 dabei. Zu Anfang eBay und eigener Shop, Ende 2006 bei ebay aufgehört und 2010 bei Amazon eingestiegen. Immer Handelsware und darin eine Nische gesucht. Immer im Nebenerwerb und ohne Mitarbeiter. Von Anfang an nicht auf Dauer ausgerichtet, weil man ja nie wusste, wie lange die "guten Quellen" noch sprudeln. Aber versiegte eine, gab es schnell andere.

Was mit einem kleinem Nebenverdienst begann, dürfte heute das übersteigen, womit viele Familien sich recht wohl fühlen würden.

Das Sortiment wird immer weiter konzentriert auf die lukrativsten Produkte und Niedrigpreisphasen von Konkurrenten werden einfach ausgesessen. Es tut halt nicht weh, wenn weniger verkauft wird und mehr, als man in 3-4 Stunden tgl. schaffen kann, soll es auch nicht werden.

Eingekauft wird nur noch, wenn bei Schnelldrehern über 50% verdient werden und ansonsten über 100%. In 3-5 Jahren soll Schluss sein. Dann sollten die Bestände abverkauft sein. Eigentlich wollte ich in den 40ern aufhören, aber nun werden es die 50er.

[Nico-2012]

In 3-5 Jahren soll Schluss sein.

Komplett mit allem, oder bleibst zumindest dem Sellerforum erhalten?