Interview Christian Otto Kelm

Sellerforum fragt… Christian Otto Kelm von amalyze.com

In der Interviewreihe „Sellerforum fragt…“ werden bekannte Persönlichkeiten und Urgesteine aus dem E-Commerce Umfeld zu aktuellen Handelsthemen befragt.

Heute starten wir mit Christian Otto Kelm, vielen Händlern bekannt als Amazon Experte, beliebter Speaker auf E-Commerce Veranstaltungen und Admin der Facebook-Gruppe Kelms kleines Amazon.


Hallo!
Erkläre den Lesern kurz wer du bist und woraus deine täglichen Aufgaben bestehen.

Mein Name ist Christian Otto Kelm und ich arbeite seit 7 Jahren ununterbrochen im Bereich Amazon.
Dabei meine ich jedoch 8 Stunden am Tag nur SEO und Daten und Marketing und strategische und operative Beratung. Also weniger Logistik, Steuern, Kundenkontakt und Fallmanagement – das kostet dem Amazon-Händler ja gefühlt die meiste Zeit und er hat wenig Zeit für die eigentlich wichtigen Dinge die absatzfördernd wären.


Welche akuten Probleme siehst du im heutigen E-Commerce?

Die Lieferketten zum Kunden sind stark anfällig für Überlastungen und die E-Commerce Plattformen absolut abhängig vom Zugang zu Internet und Strom – fällt das aus – sind diese ganzen Player weg.
Zudem fehlen noch die großen Bereiche wie Lebensmittel und Arznei – wobei am Thema Apotheke arbeitet Amazon ja nun sehr stark.


Was fehlt dem Handel und an welchen Punkten sollten Onlinehändler an sich arbeiten?

Auge auf Kunden und deren Belangen fehlt dem Handel.
Onlinehändler haben für die meisten Plattformen zu wenig Grundwissen und anstelle etwas zu ändern werden Preise gesenkt, Werbung geschaltet oder einfach neue Produkte reingestellt. Ist halt einfacher – aber nicht zweckmäßig.


Welche Stellung haben deiner Meinung nach die Plattformen Amazon und eBay aktuell?

Eine dominate – also Amazon. eBay wird 2021 mit Kleinanzeigen dominieren.
Die Kunden sitzen auf so vielen Waren die in 2020 relevant waren – aber 2021 keiner mehr benötigt.


Werden sie weiter wachsen, oder verteilt sich die Kaufkraft zunehmend auf die immer mehr werdenden Marktplätze wie Real, Otto etc.?

Ja und Nein – hier wird zu klein gedacht. Da gibt es je Kategorie viel mehr.
Mano Mano, Zalando, AboutYou und viele mehr. Hier gilt es sich so zu positionieren wo die Kunden sind.

Corona – Das Gesprächsthema, wo wir einfach nicht drumherum kommen.
Sollte man Corona aussitzen und hoffen, daß sich 2021 Alles wieder normalisiert, oder rechnest du mit grundlegenden Veränderungen der Handelslandschaft?


Die grundlegende Änderung war ja schon im Gange – das kam jetzt nicht überraschend – eher nur schneller. Aussitzen – klar – warum nicht – aber dann baut in der Zeit die Geschäfte um. Räumt alles weg und geht wieder offensiv auf Kunden zu – findet die Bedürfnisse und liefert Mehrwerte anstatt große Regale, an denen man selber suchen muss. Schuhläden könnten soviel mehr sein als nur langweilige „Suche deine Größe, Motive und Farben Läden“.

Von #KaufLokal bis #Heimatshopping – Teile des stationären Einzelhandels „kämpfen“ seit Jahren mit allen Mitteln gegen den wachsenden Onlinehandel. Wie stehst du zu diesem Thema? Welchen Rat gibst du klassischen Einzelhändlern mit stationären Geschäften?

Sie sollten aufhören dagegen zu sein, sondern endlich mal daraus lernen. Wer nicht mit der Zeit geht – geht mit der Zeit.

Staatliche Hilfen, offen 24 Stunden am Tag – nichts davon ändert das Problem! Kunden wollen es aktuell nicht! Mehrwerte und Produkte müssen anders gedacht werden – und da liegt der Grundfehler zu denken wir leben wie in den 90ern in einer reinen Konsumwelt. Hast du einen neuen Laubsammler – dann sieh zu das im Herbst auf allen Videoplattformen Leute das Produkt erklären. Es gibt mittlerweile so viele Erfolgskonzepte – doch die findet man als Beispiel im Internet – dort sucht der Einzelhandel jedoch nicht nach Lösungen – die haben noch Fax!

Ein Weitblick – E-Commerce im Jahr 2030:
Wohin wird sich der Onlinehandel in den nächsten 10 Jahren bewegen? Kommt nach Corona ein Revival der kleinen stationären Händler, nimmt der Versandhandel weiter Fahrt auf, oder gibt es irgendwann nur noch Amazon mit ein paar wenigen Händlern?

Kleine Läden kommen nur zurück wenn diese weg von Verkaufen hin zu Dienstleistung und Mehrwert gehen. Doch wer will im Laden schon seine Socken selber mit Fotos besticken oder sich seine Muster selber erstellen – Mass-Customization war der „heiße Scheiß“ Anfang der 2000er an jeder Uni – nur hat der Kunde es nicht gewollt. Andere Lösungen werden also nötig – welche? Ich weiß es nicht!

Ich denke das Shopping im Ganzen nochmal umstrukturiert wird – Live TV und Plattform-Shopping in Social Media E-Commerce Networks wird wohl die Zukunft. Soll heißen man hat neben FB Insta und Tik Tok und Pinterest plötzlich noch Amazon Apple Alibaba und Co. mittendrin – wie im Streaming-Filmgeschäft aktuell.

Haben kleinere reine Wiederverkäufer langfristig überhaupt noch Chancen und wie stehst du zum Thema der vermehrten Billigangebote und Plattformen aus Asien (Wish, AliExpress etc)?

Wiederverkäufer sind am Ende alle – ob groß oder klein. Bricht die Nachfrage weg wie 2020, brechen auch die „Zwischenhändler“ weg. Es formieren sich immer mehr echte große Fische im Teich und auch die Hersteller haben erkannt das die „alten“ Vertriebswege zwecklos sind und nur Marke und Preis schädigen. Dieser Wandel findet aber schon über 5 Jahre statt. Der kleine Opportunist wird für sich immer noch Gewinn machen können – wird aber hoch wandlungsfähig sein müssen und von heute Badelatschen auf morgen Bettwäsche wechseln müssen und das sein ganzes Geschäftsleben.

Billigangebote von Plattformen zeigen doch nur die Schere in der Welt zwischen arm und reich und Qualität und Mehrwert gegen Schrott. Es gibt Zielgruppen für Alles – und nichts andere bedienen diese Plattformen – das ist nicht schlimm sondern der Markt.

Die Nähkästchenfrage:
Was kommt in naher Zukunft bei dir und Amalyze an Neuigkeiten, worauf sich Onlinehändler freuen dürfen?

Wir entwickeln aktuell eine wahrscheinlich weltweit einzigartige Monitoring- und Tracking-Software und dazu eine neue Art der Keywordanalyse wie es sie tatsächlich noch nicht gibt auf dem Markt.

Danke für deine Zeit!



Durch das Interview führte Sebastian Feuster :
E Commerce Experte und Dienstleister, Betreiber von sellerforum.de (seit 2007) und Onlinehändler der ersten Stunde (seit 2001).

Fragen zur Interviewreihe? > mail@sebastianfeuster.de


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