Materialmangel in Industrie so groß wie nie
Viele Aufträge, aber kaum Rohstoffe und Vorprodukte: Viele Firmen klagen laut einer Ifo-Studie über Materialmangel. Immer mehr Unternehmen wollen nun ihre Preise erhöhen.

Ganzer Artikel > https://www.zeit.de/wirtschaft/2021-09/ ... s-wohlrabe

Das es bei den Kartonherstellern knapper und teurer wird, hatten wir ja kürzlich erst in einem anderen Thema.

Gibt es hier auch schon betroffene Händler / Produzenten mit Nachschubstau?

Ja.

Rohmaterial zwischen +30 / +50 %.wegen allgemeiner Preiserhöhung. Dazu Seefracht-Raten die gegenüber von vor 1.5 Jahren ca. das 8fache betragen.
Dazu die Tatsache, dass Lieferungen sich massivst verzögern - "damals" noch 5 Wochen auf dem Schiff, heute 10-12 Wochen bis die Ware bei mir ist. Wenn es gut läuft.
Das witzigste aktuell ist, dass China aufgrund der CO2-Ziele ja den Strom rationiert - mein Lieferant bekommt Strom für ca. 3 Tage / Monat. Hier auch massive Verzögerungen.

Im Grunde genommen: Alles totaler Mist - zumal man bei meinen Produkten leider die Preise nicht weitergeben kann - das geht alles auf die Marge.
Zum Glück habe ich ausreichend Ware noch "gebunkert" und auch meine Deutschen Lieferanten leergekauft, so gut wie es ging. Hätte ich dieses nicht gemacht wäre ich zu Weihnachten ohne Rohstoffe dagestanden.

Ich bin ja schon seit über 20 Jahren im Bereich Handel und seit 12 Jahren selbständig - so ein Mist wie aktuell habe ich noch nicht erlebt. Das einzige Gute daran ist, dass ich hoffe, dass der ein oder andere Wettbewerber in der gleichen Situation ist, und eben keine Ware mehr bekommt.

Hab nun auch den 2. angefragten Lieferanten in DE welcher aufgrund von Materialmangel ( Produktion in Deutschland) keine Neuen Kunden aufnimmt

Produktgruppe B2C Handelsübliche Gebrauchsartikel zuhause. Also nichts ausgefallenes.


Preissteigerung überall so zw. 10-100 % innerhalb dieses Jahres.
Im durchschnitt gefühlt ca. 20%.
Sind teilweise schon bei der 3. Preiserhöhung in den letzten 12. Monaten. Hier handelt es sich aber größtenteils um Importeure die aus China beziehen.

Ja vieles nicht lieferbar. Manche Artikel hatte ich dieses Jahr noch kein einziges Mal im Lager haben dürfen. Ich frage mich wie Händler ohne Bestand arbeiten!? Also jene, die nach Bestelleingang bei Ihrem Lieferanten bestellen. Bei vielen Artikeln klappt das noch, aber bei der Masse nicht mehr, weil Hersteller und Lieferanten selbst nicht liefern können. Was gibt man dann als Lieferzeit an?
Ich lebe von meinem hohen Lagerbestand, verkaufe nur noch das was am Lager ist, bestelle gleichzeitig neu und hoffe irgendwann in vielen Wochen wieder Ware zu bekommen. Teils wird es einen sofort aus den Händen gerissen, weil man mal wieder Ware bekommen hat und andere gerade nicht liefern können.

Keine Besserung in Sicht. Kartons, Folien, Schrenzpapier, alles teuer geworden, speziell bei Karton einige Maße wochenlange Lieferzeiten. Selber bei vielen Herstellern bereits 2 Preiserhöhungen dieses Jahr gehabt, im Januar werden die Paketdienste auch wieder teurer.

Noch läuft es dennoch gut. Aber irgendwann dürfte der Punkt erreicht sein, wo man die laufenden Erhöhungen nicht mehr weiter geben kann.

Noch alles im grünen Bereich, Lieferzeiten ca.3-4 Tage länger, im Schnitt 5 % Mehrkosten zu letztem Jahr.

Grafisches Papier hat mindestens doppelte Lieferzeit; ein bestimmtes gestrichenes Papier für Bilderdruck gibt es zurzeit gar nicht - der Preis spielt dabei mittlerweile eine völlig untergeordnete Rolle, es ist nicht verfügbar, Game over. Papierherstellung ist aber auch eine Spezialdisziplin mit weltweit wenig Protagonisten. Da brennt mal eine Fabrik ab oder geht in die Insolvenz, schon gibt es eine Riesenlücke (Zanders – bekannt unter "Gohrsmühle" – gaben Energiekosten u. anstehende CO₂-Zertifikate den Todesstoß, vgl. https://in-gl.de/2021/04/30/zanders-pap ... hliessung/ u. https://de.wikipedia.org/wiki/Zanders_Papierfabrik). Eine große Papierfabrik hat auf Kartonagen umgestellt, deren Produktionskapazität fehlt nun zusätzlich.

Gleichwohl, ein Sturm zieht auf, und kaum jemand macht sein Schiff klar für schwere See – das wird nicht ohne Folgen für die Industriekapitäne bleiben.

Meine Stammverpackung ist um 150 % teurer geworden, bin jetzt am Ersatz suchen. Komplett andere Verpackung, weg von Papier. Heftig ist aber, dass Papier und Pappe als nachhaltiges Zukunftsprodukt beworben wird. Bzw. Graspapier.

Habe bereits unmögliche Kartonformate aufgekauft um billige Versandkartons für das große A zu haben weil die normalen Kartons zu teuer geworden sind. Hoffe ich komme damit ne Zeitlang aus.

Manche Batterien bis zu 6 Monate Lieferzeit, etliche Teile schlicht gar nicht lieferbar, speziell was Hersteller aus USA, Frankreich, Italien angeht. Ich habe inzwischen ein Drittel des Sortiments auf "derzeit nicht lieferbar" stehen.

Fahrräder und Fahrradteile sind schlecht verfügbar.

Ich fahre jeden Tag so an die 10 km mit einem klapprigen Fahrrad durch die Gegend. Die Kette ist so verschlissen, dass mind. 1× am Tag die Kette abläuft. Da die Achse bereits das hintere Ausfallende erreicht hat, ist da auch nix mehr mit nachspannen. In so einem Fall tauscht man nicht nur die Kette, sondern auch Kettenblatt und Zahnkranz.

Es gibt derzeit weder das gewünschte Kettenblatt noch irgendwelche Zahnkränze und – so der Fahrradhändler – ich solle nicht auf die Idee kommen ein neues Fahrrad ins Kalkül zu ziehen, die nächsten eintreffenden Lieferungen seien schon alle versprochen und zugeteilt. Tatsächlich kommen hochwertige Fahrradrahmen aus Taiwan und sind derzeit schlecht bis gar nicht verfügbar.

Ich nehme dann mal ein bis zwei Kettenglieder mit den Nietendrücker raus, dann passt es wieder. Als Beitrag zur Verkehrssicherheit könnte ich am Rande noch anführen, dass man mich auf gemeinsamen Rad- und Fußwegen aus deutlicher Entfernung ankommen hört *rassel* *klimper* *klöter*, sodass die Leute selten im Weg stehen.

Unser (Mobil-)Kühlschrank-Hersteller wartet derzeit auf 17.000 Steuermodule -> Kurzarbeit 0.

Opel schließt das Werk in Eisenach bis Jahresende wegen Chipmangel.

Ist es wirklich so schwierig ein paar Fabriken zu bauen, die das ganze Chip-Gedöns hierzulande herstellen?

Casper hat geschrieben: ↑30. Sep 2021 12:24 Ist es wirklich so schwierig ein paar Fabriken zu bauen, die das ganze Chip-Gedöns hierzulande herstellen?

Fabriken ist kein Problem. Das Know-How ging aus den deutschen Köpfen im Zuge des Outsourcings nach China. Und China hat kein Interesse das Know-How gehen zu lassen. Auch brauchst Du wieder die Rohstoffverarbeitung bzw. Verträge mit Lieferanten.

Und Du brauchst Energie. Strom. Und das schafft man nicht so eben mit den alternativen Energien. Und noch ein paar Vorraussetzungen, die in den letzten Jahren abgeschafft wurden.

Casper hat geschrieben: ↑30. Sep 2021 12:24 Ist es wirklich so schwierig ein paar Fabriken zu bauen, die das ganze Chip-Gedöns hierzulande herstellen?

Das Problem ist, dass ein Reinraum Klasse 5 nicht in zwei Wochen gebaut ist. Und die nötigen Geräte stehen auch nicht herum. Nach Vorliegen der Baugenehmigung rechnet man mit 3 Jahren bis Produktionsbeginn.
Dazu kommt dass die Chips die jetzt fehlen eigentlich uralte Modelle sind, die auf alten, abgeschriebenen Anlagen produziert werden. Die kann man zwar auch neu bauen, aber das rechnet sich nicht.

zwei Jahre dauert das wohl schon...
Infineon machts vor:

https://www.infineon.com/cms/austria/de ... u-fab.html
https://www.springerprofessional.de/hal ... -/19671808

und Intel ist in den Startlöchern:
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/te ... r-101.html

daytrader hat geschrieben: ↑30. Sep 2021 12:07 Opel schließt das Werk in Eisenach bis Jahresende wegen Chipmangel.

VW legt ebenso Pausen ein https://www.ndr.de/nachrichten/niedersa ... w5678.html , BMW streicht jetzt Head-up-Display für viele Modelle, usw.

Ein paar Bekannte von mir arbeiten in einer Fabrik für "Automatisierungssysteme": die haben schon fast 2 Monate immer weiter zunehmende Probleme durch fehlende Baugruppen usw.

Überall klemmt und hakt es. Irre.
Immerhin haben wir noch Sprit an der Tanke, nicht so wie die Falschherumfahrer auf der Insel.

Der erste Lohnhersteller kann nicht liefern, weil ein Rohstoff fehlt. Ich selbst habe auch Schwierigkeiten, bestimmte Dinge zu bekommen und muss wirklich suchen. Tenside sind Mangelware und wer jetzt Verpackungslieferanten hat, die auf China setzen, hat ein Problem.
Preiserhöhungen von Herstellern trudeln wöchentlich ein, die Erhöhungen liegen durchschnittlich sogar um die 10%.

Für unseren Neubau habe ich mit dem Architekten über das Thema gesprochen, eigentlich ist dort die Situation so, dass der Zenit des Mangels wohl überschritten ist. Es gibt sogar wieder Holz.

fossi hat geschrieben: ↑29. Sep 2021 14:38 Gibt es hier auch schon betroffene Händler / Produzenten mit Nachschubstau?

Bei mir eigentlich seit Frühjahr 2020. Hat aber alles auch Vorteile, Umsatz gesunken, Gewinn deutlich gestiegen. Was vor corona unmöglich war zu UVP bei den PLattformen zu verkaufen geht seitdem tlw. deutlich über UVP.
Da machen sogar Retouren Spass. Geht halt mit nem 10er oder 20er teurer wieder in den Verkauf.

Ich habe mir vor der Umsatzsteueränderung am 1.7.2020 einen ungesunden Bestand an Versandkartons auf Lager gelegt. Daher was das angeht sehr entspannt.

Zu dem Thema gibt es auch einen aktuellen Bericht von Deutsche Bank Research (als PDF). Der Ausblick ist verhalten positiv:

Insgesamt erwarten wir, dass uns die Störungen der Lieferkette noch ins Jahr
2022 beschäftigen werden, auch wenn der Tiefpunkt in der Lieferkrise hinter
uns liegen könnte.

Allerdings werden die Energieprobleme in China noch nicht thematisiert.