Rechtliches zu behindertem Mitarbeiter

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Zierfischprofi
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Rechtliches zu behindertem Mitarbeiter

Moin,

ich beschäftige seit gut einem Jahr einen behinderten Mitarbeiter. GDB 60%. Den Mann hatte ich als Springer eingestellt, für Versand, Reinigung, auch Büro steht im Arbeitsvertrag etc., quasi für alles. Nun hat er die ganze Zeit im Versand gesprungen, plötzlich geht das aber wegen seinem Knie angeblich nicht mehr. Er weigert sich Aquarien zu reinigen, Wasser zu wechseln, zu verpacken etc. Er beharrt auf einen Büroarbeitsplatz. /-(x)

Ich habe es im Büro mit ihm probiert. Er hat eine posttraumatische Belastungsstörung, ist trockener Alkoholiker und kann sich nichts merken. Er stottert sehr stark, ist Legastheniker, hat eine Knieprothese und Herzrhythmusstörungen. Solange er in der Produktion mitgearbeitet hat war das alles irgenwie egal. Von jetzt auf gleich ist ihm aber nur noch Büro möglich. Wir hatten es nun einen Monat im Büro probiert, er ist völlig untergegangen. Vereinbarte Rückrufe beim Kunden erfolgten nicht, statt Gutschriften wurden Neuaufträge angelegt, Teilgutschriften wurden in voller Auftragshöhe erstattet etc. Der Mann ist absolut verpeilt.

Das wäre aber alles nicht sein Problem, er wäre unkündbar, ich müsste ihm jetzt einen Arbeitsplatz zu Verfügung stellen. Der Job-Coach vom Integrationsamt sagt nun zu mir, das wäre im Prinzip so, als Behinderter wäre er besonders schützenswert und ich müsste dann dafür im Büro einen anderen Mitarbeiter entlassen und ihn dort einsetzen, ggf. mit einem dauerhaften Coaching. Leute, das geht nicht. Der kann nur noch Schafe hüten oder sowas, der Mann ist 53 und fertig mit der Welt.

Die kommen jetzt am 30. zur "Güteverhandlung". Da steht wohl eine Abfindung von 5000-10000 Euro im Raum. Mein Angebot von 3000 Euro hat er ausgeschlagen und lässt sich seit Ende Januar krank schreiben. Er hat schon die Bankverbindung seiner Frau durchgegeben, er selber hat eine Kontopfändung. Eigentlich sehe ich das alles gar nicht ein, er soll herkommen und packen oder Becken putzen wie bisher auch und gut ist es oder soll kündigen. Mit was muss ich hier rechnen?

MfG
Olli


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Wolkenspiel
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Re: Rechtliches zu behindertem Mitarbeiter

Erst mal cool bleiben und vor allem nicht auf das Konto der Frau überweisen. Hast Du keinen Arbeitsrechtsanwalt? Den sofort konsultieren.
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Zierfischprofi
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Re: Rechtliches zu behindertem Mitarbeiter

Aktuell habe ich noch keinen Anwalt genommen, möchte halt zur Abfindung nicht noch ein Vermögen für den Anwalt bezahlen. Erfahrungsgemäß rettet der Anwalt ohnehin nichts und kostet nur. Der Arbeitnehmer bekommt immer recht. Sogar das letzte Verfahren mit der Tante die mich so unter Druck gesetzt hat ist mit einem Vergleich von 3000 Euro für die Arbeitnehmerin ausgegangen. Ansonsten wollte der Richter meinen ganzen Betrieb als Zeuge laden weil er eine Diskriminierung vermutete. Ich habe langsam einfach keinen Bock mehr in diesem Land selbständig zu sein. Arbeitgeber und Vermieter sind immer die Schuldigen. Ich würde auch nie wieder einen behinderten Arbeitnehmer einstellen.
Wolke7

Re: Rechtliches zu behindertem Mitarbeiter

"Er weigert sich Aquarien zu reinigen, Wasser zu wechseln, zu verpacken etc. Er beharrt auf einen Büroarbeitsplatz"

Das ist der Punkt, ein guter Anwalt macht daraus eine Arbeitsverweigerung. Meine Frau hatte in Ihrem Betrieb auch so einen Fall nix Abfindung bekommen.
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koshop
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Re: Rechtliches zu behindertem Mitarbeiter

Du musst dich ja nicht gleich komplett vom Anwalt vertreten lassen, ggf. reicht ja auch eine Beratung in der ein Anwalt dir mögliche Wege aufzeigt.

Gibt ja durchaus Ansatzpunkte. Er weigert sich bestimmte Tätigkeiten auszuführen - hat er ein Attest dafür? Er ist jetzt längere Zeit krank - krankeitsbedinge Kündigung. Er ist nicht qualifiziert für andere Tätigkeiten usw...
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Wolkenspiel
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Re: Rechtliches zu behindertem Mitarbeiter

Nochmal: nimm Dir einen Anwalt! Alles andere ist doch Bullshit. Diese Kosten muss man einfach dazu rechnen, das ist halt so. Und ein Anwalt kostet kein Vermögen.
Ohne Anwalt würde ich NIE in so eine Geschichte gehen. Und jammern nutzt hier auch nix.
miezekatze
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Re: Rechtliches zu behindertem Mitarbeiter

Ich dachte echt das bei dir das Thema "Am falschen Ende sparen" rum ist.
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Zierfischprofi
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Re: Rechtliches zu behindertem Mitarbeiter

OK, ich habe morgen früh einen Termin beim Anwalt. Wie ich es hasse. Und deswegen lasse ich meine Firma auch nicht mehr wachsen. Wenn ich mir vorstelle so einen Mist noch öfter zu haben...

Ich hatte gerade die Supporttruppe von 2 auf 3 Personen aufgestockt, jetzt fehlen wegen Corona gerade wieder 2 von 3. Und die Kunden haben absolut 0 Verständnis. Home Office bringt bei vielen Fragen einfach nix.
Mozartkugel
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Re: Rechtliches zu behindertem Mitarbeiter

Ich kann dich gut verstehen... das sind einfach unnötige Ausgaben die vom Gewinn weggehen. Ich hasse so etwas auch.
miezekatze
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Re: Rechtliches zu behindertem Mitarbeiter

Mozartkugel hat geschrieben: 16. Mär 2020 13:21 Ich kann dich gut verstehen... das sind einfach unnötige Ausgaben die vom Gewinn weggehen. Ich hasse so etwas auch.
Jeder hasst das, nur sind das leider Themen die man als Laie (was hier quasi jeder sein dürfte) fast nur falsch machen kann. Sobald bei uns irgendwas passiert wo wir nicht sicher 100% bescheid wissen geht das Ding zum Anwalt. Alles andere bringt nichts und beißt einen nur selbst in den Arsch irgendwann. Und wir haben es oft genug selber versucht wo der gesunde Menschenverstand sagt das das mehr als nur seine Richtigkeit hat. Nö, auch wir haben schon Sachen erlebt vorm Arbeitsgericht wo man nur den Kopf schütteln kann.

Ansonsten ist auch das einer der Gründe warum wir keine Behinderten einstellen. Wir zahlen die Strafe und haben Ruhe. Das sind feste Fixkosten und man muss sich nicht ärgern wenn mal was ist. Mit den "normalen" Arbeitnehmern hat man im Problemfall schon genug Stress, da braucht man nicht noch wen der noch tausend Sonderrechte mehr hat, auch davon hat man schon genug, vorallem ab einer gewissen Anzahl MA. /-(x)
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Wolkenspiel
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Re: Rechtliches zu behindertem Mitarbeiter

Ich hatte heute Verhandlung beim Arbeitsgericht. Es war die letzte für heute. Ab morgen ist da dicht.
Den Rest des Jahres wird dort nix mehr gemacht. Kannst dich entspannen, Olli. Verhandlungen gibts wohl erst wieder nächstes Jahr und solange musst Du auch nix bezahlen. (außer den Anwalt, aber ohne ist halt fahrlässig)
Roemer
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Re: Rechtliches zu behindertem Mitarbeiter

Ich bezweifel, daß es Arbeitsgerichte gibt, welche dieses Jahr nicht mehr verhandeln ;-)
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Zierfischprofi
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Re: Rechtliches zu behindertem Mitarbeiter

Die Angelegenheit ist ja bei meinem Anwalt in Bearbeitung. Aber das Integrationsamt hat geschrieben, dass bei denen aktuell nichts oder nur sehr verzögert entschieden werden kann und die auch keine Fahrten mehr zu Unternehmen druchführen. So ähnlich wird es sich ja auch bei den Arbeitsgerichten verhalten. Viel wird da nicht gehen. Der Mitarbeiter zählt wohl auch zur Risikogruppe, den werde ich dieses Jahr und sicher auch danach hier sich nicht mehr sehen. Aber er häuft ja weiterhin Urlaub an, ist mir vorhin eingefallen. Ist der maximal ansammelbare Urlaub eigentlich irgendwie begrenzt? Er wird bestimmt krankgeschrieben werden bis er ausgesteuert wird. Kann er danach auch noch Urlaub ansammeln? Wie viel Urlaub kann er maximal ansammeln?
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koshop
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Re: Rechtliches zu behindertem Mitarbeiter

Gibt ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2012, das den Zeitraum auf 15 Monate begrenzt:
https://juris.bundesarbeitsgericht.de/c ... m&nr=16102
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Zierfischprofi
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Re: Rechtliches zu behindertem Mitarbeiter

OK, vielen Dank. Dann kostet mich der Mann wohl rund 15 Monate Urlaub plus Anwaltspauschale, egal wie lange sich der Vorgang noch hinzieht.
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Zierfischprofi
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Re: Rechtliches zu behindertem Mitarbeiter

Aber eine Sache hatte ich nicht bedacht: Während des Kündigungsverfahrens kann ich jetzt keine Stelle mehr ausschreiben. Weil man wird mir dann immer vorschreiben wollen, dass ich diese Person dort einsetzen soll. Er hat auch die Stellenanzeigen im Blick und hat auch noch regen Kontakt zu einigen anderen Mitarbeitern. Aber ich kann natürlich jetzt nicht ewig keine Stellen mehr ausschreiben.
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Re: Rechtliches zu behindertem Mitarbeiter

Hattest Du nicht gesagt, das er die wo er kann nicht machen will und die wo er will nicht in der Lage ist?
Da bleibt ja nichts anderes übrig als nach anderen Mitarbeitern zu suchen?
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hkhk
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Re: Rechtliches zu behindertem Mitarbeiter

koshop hat geschrieben: 29. Mär 2020 13:41 Gibt ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2012, das den Zeitraum auf 15 Monate begrenzt:
https://juris.bundesarbeitsgericht.de/c ... m&nr=16102
Ich hab jetzt den Link nicht gelesen, aber ich kenne das mit Urlaub so:
Der Urlaub des laufenden Jahres verfällt am 31.03. des Folgejahres.
Urlaubsansprüche aus 2019 sind somit seit dem 31.03.2020 genullt.
Urlaubsansprüche des laufenden Jahres bestehen anteilig zur Beschäftigungsdauer des laufenden Jahres.
Wenn der Mitarbeiter also zum 31.03. gekündigt wurde, hat er demzufolge 1/4 des Jahresurlaubs.

Eventuelle individuelle Vereinbarungen im Arbeitsvertrag oder auch bisherige Behandlung des Urlaubs (betrieblicher Usus) könnten der Regelung allerdings entgegenstehen.
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Zierfischprofi
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Re: Rechtliches zu behindertem Mitarbeiter

online-beobachter hat geschrieben: 10. Apr 2020 13:49 Hattest Du nicht gesagt, das er die wo er kann nicht machen will und die wo er will nicht in der Lage ist?
Da bleibt ja nichts anderes übrig als nach anderen Mitarbeitern zu suchen?
Das Integrationsamt argumentiert aber so, dass ich dann jemand aus dem Büro in den Versand schicken muss und ein Job-Coach den Mann dann solange coacht bis er auf den Büroarbeitsplatz passt. Die kennen da gar nix.
Roemer
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Re: Rechtliches zu behindertem Mitarbeiter

Stellenanzeigen schalten während man einen MA freistellt, wäre ein supi Eigentor. Egal ob der behindert ist. Wir sind hier keine Großunternehmen.
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