Ist der Kunde verpflichtet, für unverschuldete Retoure das Haus zu verlassen?

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regalboy
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Ist der Kunde verpflichtet, für unverschuldete Retoure das Haus zu verlassen?

Hallo,

ist der Kunde in Fällen wie Fehllieferung oder defekter Ware bei Lieferung oder innerhalb der Gewährleistung (also Händlerverschulden) verpflichtet, auf Wunsch des Händler das Haus zu verlassen und das Paket im x km entfernten Hermes, DPD, UPS Paketshop abzugeben?

Falls er zur Fahrt zum Paketshop verpflichtet werden kann, mit oder ohne Kostenerstattung?

Viele Grüße

Johannes


3 Monate gratis Händlerbund
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koshop
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Re: Ist der Kunde verpflichtet, für unverschuldete Retoure das Haus zu verlassen?

Nach § 439 Abs. 5 BGB hat der Käufer eine Mitwirkungspflicht bei der Mängelbeseitigung:
§ 439 Nacherfüllung
(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.
(2) Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.
(3) Hat der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht, bevor der Mangel offenbar wurde, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen.
(4) Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. Der Anspruch des Käufers beschränkt sich in diesem Fall auf die andere Art der Nacherfüllung; das Recht des Verkäufers, auch diese unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern, bleibt unberührt.
(5) Der Käufer hat dem Verkäufer die Sache zum Zweck der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen.
(6) Liefert der Verkäufer zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache, so kann er vom Käufer Rückgewähr der mangelhaften Sache nach Maßgabe der §§ 346 bis 348 verlangen. Der Verkäufer hat die ersetzte Sache auf seine Kosten zurückzunehmen
.
Es gab außerdem mal ein EuGH-Urteil, daß bei erheblichen Unannehmlichkeiten keine Rücksendepflicht besteht und der Verkäufer die Ware dann abholen muss. Da ging es um ein Partyzelt:
https://www.it-recht-kanzlei.de/eugh-ru ... -ware.html

Im Umkehrschluss kann man daraus ableiten, dass eine Rücksendepflicht besteht, wenn dies nicht mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden ist.

Von daher würde ich zu dem Schluss kommen, dass man bei normaler Ware vom Käufer verlangen kann, dass er diese zur Post bringt.
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koshop
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Re: Ist der Kunde verpflichtet, für unverschuldete Retoure das Haus zu verlassen?

Ich würde hier aber maximal eine Kilometerpauschale von 30 Cent erstatten. Bei Vorlage einer Busfahrkarte auch die.

Oder man beauftragt einfach eine Abholung.
Roemer
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Re: Ist der Kunde verpflichtet, für unverschuldete Retoure das Haus zu verlassen?

Zumindest in Gewährleistungsfällen ab Woche 3 nach Zustellung kümmere ich micht nicht um die Rücksendung, da der Kunde das Transportrisiko trägt.
Sobald ich ein Label sende und abholen lasse, geht das Risiko auf mich über und das kann bei fehlender oder schlechter Verpackung teuer werden.
Ich erstatte lieber in Nachhinein.
Schreiber Ling
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Re: Ist der Kunde verpflichtet, für unverschuldete Retoure das Haus zu verlassen?

Gerade in Gewährleistungsfällen, anders als im Widerrufsrecht, hat der Kunde einen Anspruch sogar auf Vorschuss. Ich sehe ein, dass das blöd ist, wenn man noch nicht mal weiß, ob der Kunde überhaupt zur Inanspruchnahme berechtigt ist oder sich überhaupt für berechtigt halten darf. Aber dafür ist es unter anderem auch schön für die ehrlichen Kunden. Nicht vergessen, der Händler bekommt "immergutes" Geld, das ist nie mangelhaft; der Kunde nicht.

Immerhin impliziert der Begriff "Vorschuss", dass man es zumindest grundsätzlich zurückverlangen darf …
Roemer
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Re: Ist der Kunde verpflichtet, für unverschuldete Retoure das Haus zu verlassen?

Schreiber Ling hat geschrieben: 11. Mai 2023 17:03 Gerade in Gewährleistungsfällen, anders als im Widerrufsrecht, hat der Kunde einen Anspruch sogar auf Vorschuss.
So steht es im BGB und der BGH hat es 2018 konkretisiert. Dort ging es um die Überführung eines defekten Pkw an den Händler mehrere 100 km entfernt. Aber auch bei den 4stelligen Kosten, mußte sich der Kunde zunächst mit etwa EUR 280 (oder so) im voraus beteiligen.

M.a.W. bei Paketen entfällt der Anspruch.
Schreiber Ling
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Re: Ist der Kunde verpflichtet, für unverschuldete Retoure das Haus zu verlassen?

Ich verstehe jetzt nicht genau, wie du das meinst, "so steht es im BGB" und so weiter. So, wie von mir zitiert, oder so, wie du sagst?

Es besteht definitiv ein Anspruch, auch bei Paketen. Die Rechtsprechung hat da nach und nach ein bisschen rumgemehrt, aber inzwischen steht es im BGB.
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koshop
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Re: Ist der Kunde verpflichtet, für unverschuldete Retoure das Haus zu verlassen?

Also im §475 BGB Absatz 4 heißt es

§ 475 Anwendbare Vorschriften
(...)
(4) Der Verbraucher kann von dem Unternehmer für Aufwendungen, die ihm im Rahmen der Nacherfüllung gemäß § 439 Absatz 2 und 3 entstehen und die vom Unternehmer zu tragen sind, Vorschuss verlangen.
(...)

https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__475.html
Von einer Bagatellgrenze steht da zwar nichts, aber ich würde trotzdem nicht ausschließen, dass es ein Gericht für zumutbar hält, dass der Kunde für ein paar Euro Porto in Vorleistung geht, anstatt da eine umständliche Vorschussabrechnung zu produzieren. Zumindest bei Paketen, bei Speditionsware sieht das wieder anders aus.

Ein Urteil konkret dazu kenn ich aber nicht.
Schreiber Ling
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Re: Ist der Kunde verpflichtet, für unverschuldete Retoure das Haus zu verlassen?

Genau, steht auch noch nicht so lange da, darum werden die Urteile erst kommen. Ausschließen sollte man es vielleicht nicht, dass das ein Gericht anders sieht, als ich es beschrieben habe, da hast du recht. Von 280 Euro wäre die Bagatellgrenze allerdings ganz sicher weit entfernt.
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